Das älteste Spielwarengeschäft Deutschlands hat den Siebenjährigen Krieg überstanden, die Kaiserzeit, zwei Weltkriege, Inflation, Sozialismus und die Wende. Dann kam das Internet – und dank E-Commerce neuer Schwung.
In einer kleinen Stadt zwischen Dresden und Leipzig steht ein älterer Herr hinterm Tresen und erzählt von früher. Dass der 63-jährige Jörg Loebner dabei durchaus ein paar Jahrzehnte jünger wirkt, liegt an Worten wie „Marketplace“, „Onlinehandel“ oder „Prime“, die er so selbstverständlich benutzt wie das iPad in seinen Händen.
In der Kleinstadt Torgau führt Loebner den ältesten Spielzeugladen Deutschlands, erstmals urkundlich erwähnt 1685, vor über 330 Jahren. „Die Firma“, wie Loebner das Traditionshaus nennt, wurde stets vom Vater auf den Sohn vererbt. Jörg Loebner führt das Haus in elfter Generation. Allein unter seiner Führung, die 1987 begann, erlebte sein Haus das Ende des deutschen Sozialismus, die Wendejahre und die erste Internetblase. Das sei aber noch gar nichts verglichen mit seinen Vorgängern, meint Loebner. „Meine Vorfahren haben schließlich den Siebenjährigen Krieg und zwei Weltkriege überstanden“, sagt der Unternehmer. „Ohne unsere treuen Kunden wäre das gar nicht möglich gewesen.“
Dass es das Geschäft noch gibt, ist auch aufgrund jüngerer Entwicklungen nicht selbstverständlich: Nach dem Ende der DDR hielt es sich noch einige Jahre wacker. „Von 1995 an ging es dann stetig bergab, 2012 schüttelte unser Steuerberater nur noch mit dem Kopf“, erzählt Loebner. Das Kundenverhalten hatte sich geändert. Als der Firmenchef darüber nachdachte, ob er seine Spielwaren auf dem Marketplace von Amazon verkaufen wolle, entschied er sich für einen Testlauf.
„Was hatte ich schon zu verlieren?“, fragt Loebner. Als über Nacht die ersten Bestellungen eingingen, sei er erst einmal mit der Logistik überfordert gewesen. Die ersten Etiketten habe er noch selbst mit der Hand geschrieben, das erste Paket mit dem Fahrrad zur Post gebracht. „Undenkbar, wenn man sich heute allein das Lager anschaut“, lacht der Sachse. Von dort aus verschickt er über den Amazon Marketplace 1.000 Pakete pro Tag. „Im Weihnachtsgeschäft gehen bei uns jeden Tag fünf Sattelschlepper auf die Reise“, sagt er. Mittlerweile hat er sich mit seinem schnellen Versand den „Amazon Prime-Status“ erarbeitet – und macht 98 Prozent des Umsatzes online. In zwei Jahren geht er in Ruhestand. Sein Sohn Ingo steht schon in den Startlöchern. Jörg Loebner hinterlässt ihm ein florierendes Geschäft – in zwölfter Generation.