AfB steht für „Arbeit für Menschen mit Behinderung“. Aktuell arbeiten über 250 Männer und Frauen bei der AfB-Gruppe, wovon die Hälfte der Mitarbeiter eine Behinderung hat. Im Jahr 2004 gründete Paul Cvilak das gemeinnützige IT-Unternehmen. Seitdem verbindet er soziales und ökologisches Engagement. Kerngeschäft der AfB ist die Wiederaufbereitung gebrauchter Computer-Hardware großer Unternehmen und das Recycling nicht wieder verwertbarer Teile.
„Wir wollen 500 Menschen mit Behinderung in Europa einen Arbeitsplatz geben."
Im Jahr 2012 bemerkte Michael Reutter, dass sein rechtes Bein nach längeren Autofahrten zunehmend schwer wurde. Ein Jahr später, im Alter von 48 Jahren, erhielt er die Diagnose: primär progrediente Multiple Sklerose. Das bedeutet: Die Krankheit verläuft bei ihm nicht in Schüben, die sich bei günstigem Verlauf wieder zurückbilden können, sondern schreitet schleichend und unwiederbringlich voran. Bereits Ende 2013 wurde der gelernte Netzwerktechniker aus Landau krankgeschrieben, ist seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen. „Ich fiel in ein Loch, fühlte mich aufs Abstellgleis gesetzt und wusste nicht mehr, wie ich meine Tage sinnvoll füllen sollte“, erinnert er sich.
Nach Ablauf des Arbeitslosengelds legte ihm das Arbeitsamt nahe, Erwerbsminderungsrente zu beantragen, da eine Integration in den Arbeitsmarkt für ihn unrealistisch sei. Michael Reutter war kurz davor, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Bis er Ende 2015 auf eine viel versprechende Stellenanzeige der AfB-Gruppe stieß. Sie suchte einen Spezialisten für Computerhardware für ihren Standort in Ettlingen bei Karlsruhe, nicht weit von seinem Wohnort. Das Besondere: Alle Arbeitsschritte im Unternehmen seien barrierefrei gestaltet und würden von behinderten und nicht-behinderten Menschen gemeinsam verrichtet.
Michael Reutter fasste neuen Mut, bewarb sich und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Bereits im ersten Gespräch war er Feuer und Flamme. Seit 2016 arbeitet er nun in Vollzeit als Katalogmanager bei der AfB-Gruppe. Er ist dafür verantwortlich, die Ware für den Online-Verkauf auszusuchen und die Produktbeschreibungen und -informationen für die potenziellen Käufer zu formulieren. Dabei sind seine Fachkenntnisse in den Bereichen Computer und Hardware essentiell wichtig und gefragt. „Das Konzept der AfB, Menschen mit Behinderung wieder in die Berufswelt zu integrieren und ihnen neue Perspektiven zu bieten, ist klasse – und funktioniert. Hier arbeiten hoch motivierte und teilweise auch hoch spezialisierte Leute, die in anderen Betrieben erst gar keine Chance bekommen würden“, so Michael Reutter.
Toleranz und Teamgeist als Erfolgskonzept
Für Michael Reutters Chef, Carsten Huck, ist die Firmenphilosophie ein Herzensanliegen. Er ist seit 2013 verantwortlich für den Online-Handel der AfB-Gruppe in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz. Vor sechs Jahren kam seine Tochter Mila mit dem Down-Syndrom auf die Welt. Seitdem setzt er sich für das Thema Inklusion ein – privat als Vater und beruflich als Leiter mehrerer Teams, die zu 50 Prozent aus Mitarbeitern mit Behinderung bestehen.
Er erlebt täglich, zuhause und im Job, mit wie viel Leidenschaft, Begeisterung, Motivation und Dankbarkeit Menschen mit Behinderung bei der Sache sind, wenn sie eine Chance bekommen sich zu beweisen. Das sei schon im Bewerbungsgespräch spürbar. Viele der Menschen mit Behinderung haben zu diesem Zeitpunkt bereits unzählige erfolglose Bewerbungen hinter sich und wurden vom Arbeitsamt von Maßnahme zu Maßnahme geschickt. Ein Großteil von ihnen hat längst die Hoffnung verloren, in der Gesellschaft jemals eine aktive Rolle zu spielen und auf dem Arbeitsmarkt gebraucht zu werden.
Für Carsten Huck ist das Motivation und Antrieb, Inklusion zu fördern: „Ich bin kein Typ für die Politik, daher möchte ich meinen Beitrag auf einem anderen Weg leisten. Was mich jeden Tag aufs Neue antreibt: Ich will in der Praxis zeigen, dass ein Unternehmen sehr erfolgreich sein kann, in dem 50% der Mitarbeiter Menschen mit Behinderung sind – und nicht nur ein einzelner Mitarbeiter für die Quote“. Kennzeichnend für die AfB sei der natürliche Umgang mit den Mitarbeitern. Niemand werde als Sonderfall behandelt, es gebe keine Unterschiede zwischen gesunden und erkrankten Kollegen. Dadurch ist das solidarische Zusammenarbeiten unterschiedlicher Menschen im Team keine Besonderheit, sondern Normalität. Carsten Huck hofft, dass von diesem Modell auch eine große Strahlkraft auf die Gesellschaft und insbesondere auf andere Firmenchefs und Personalleiter ausgeht.
Gut für den Menschen – gut für die Umwelt
Auch aus ökologischer Sicht ist das Geschäftsmodell der AfB sinnvoll, denn die Mitarbeiter bereiten die ausgemusterte IT-Hardware großer Konzerne und öffentlicher Einrichtungen für den Wiederverkauf auf. Als erstes wird eine zertifizierte Löschung aller vorhandenen Daten vorgenommen. Anschließend testen die Mitarbeiter die Geräte, reinigen und reparieren sie, spielen die neueste Software auf und verkaufen sie in den eigenen AfB-Ladengeschäften oder online mit mindestens einem Jahr Garantie wieder an neue Nutzer.
„Zu unseren Kunden gehören Schulen, gemeinnützige Einrichtungen, Startups oder Privatleute, die hochwertige gebrauchte Business-Hardware zu fairen Preisen suchen“, erklärt Geschäftsführer Paul Cvilak. Nur nicht weiter verwertbare oder zu alte Geräte werden zur Ersatzteilgewinnung in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, die übrigen Rohstoffe gehen an zertifizierte Recyclingbetriebe. Elektroschrott und CO₂ können so in erheblichem Maße reduziert werden.
Mehr Arbeitsplätze für Mitarbeiter mit Behinderung durch Amazon
Seit Mitte 2016 nutzt die AfB auch Amazon als Marktplatz für den Online-Handel. Bereits jetzt erzielt die AfB ein Drittel der Online-Umsätze durch Amazon, die Tendenz ist stark steigend. In Ettlingen kümmern sich vier Mitarbeiter unter der Leitung von Carsten Huck um die Auswahl und den Verkauf der Produkte über Amazon. Neben Michael Reutter ist ein weiterer Kollege mit Behinderung Teil des neuen Amazon-Teams. Weitere neue Arbeitsplätze sollen mit der geplanten Internationalisierung geschaffen werden.
„Der Vorteil von Amazon ist, dass wir direkt Reichweite haben und dass wir mit unseren Artikeln dorthin gehen, wo die Kunden sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir die AfB bekannt machen und unser soziales Projekt nach außen tragen können“, erläutert Paul Cvilak, der im März von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, mit dem Bundesverdienstorden für soziales Engagement ausgezeichnet wurde.
So kommt die AfB-Gruppe ihrem Ziel, europaweit 500 Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz zu geben, Stück für Stück näher.