Poppy J. Anderson ist die erfolgreichste Selfpublisherin des Jahres. Man würde nicht vermuten, dass hinter dem anglophonen Künstlernamen eine Anfang 30-jährige Deutsche aus Essen steckt. Alle zehn Romane ihrer New-York-Titans-Reihe waren in den Top Ten der deutschen Kindle-Bestsellerliste, und die meisten belegten sogar wochenlang Platz eins. Als ernsthafte Historikerin hatte Poppy es nie gewagt, ihre humorvollen Romane über die Untiefen der Liebe im Umkreis eines fiktiven New Yorker Footballteams an Verleger zu schicken. Erst Kindle Direct Publishing und eine hartnäckige Freundin machten es möglich, dass ihre Bücher nun Tausende von Fans begeistern, anstatt in einer Schublade zu verstauben.
„Innerhalb von drei Monaten hatten sich diese beiden Romane um die 15.000-mal verkauft."
Deutsche Historikerin erobert die Herzen der Leser
„Meine beste Freundin, der ich stets all meine Seiten zu lesen gegeben hatte, die ich seit meinem 15. Lebensjahr voller Hingabe zuerst in meine elektrische Schreibmaschine und später dann in meinen PC hineingehämmert hatte, war begeistert, als ich ihr verschämt erzählte, dass ich zur Frankfurter Buchmesse 2012 eine Reportage über Selfpublishing und Kindle Direct Publishing (KDP) gesehen hatte.
‚Das machst du auch‘, befahl sie mir völlig überzeugt von diesem Vorhaben, auch wenn ich mich zwischen Verlegenheit darüber, meine Bücher tatsächlich zu veröffentlichen, purer Angst, damit auf die Nase zu fallen, und ein wenig schmeichelhaftem Erröten, weil ihre Komplimente runtergingen wie Öl, hin und her wand. Meinen Einspruch, dass ich dafür keine Zeit hätte, weil eine Doktorarbeit darauf wartete, abgeschlossen zu werden, wischte sie rigoros beiseite und ließ nicht locker.
Ein Versuch kann nicht schaden
Während ich mich noch eine Idiotin schalt, dass ich ihr über die Möglichkeiten von KDP überhaupt berichtet hatte, und meine große Klappe verfluchte, die auch schuld daran gewesen war, dass ich mich mit ebendieser Freundin ein Jahr zuvor in einer Kochsendung wiedergefunden hatte, zuckte der verwegene Teil in mir lässig mit der Schulter. Was sollte schon passieren? Da ich davon ausging, dass angesichts der Unsumme veröffentlichter eBooks sowieso kaum jemand auf ausgerechnet mein Buch aufmerksam werden würde, ließ ich es auf einen Versuch ankommen.
Am Ende eines nervenaufreibenden Prozesses drückte ich also den KDP-Button ‚Veröffentlichen‘, mit dem mein erstes Buch – Touchdown fürs Glück – das Licht der Welt erblickte, während ich wie ein halb verhungerter Hamster vor Nervosität auf meinen Nägeln herumnagte. Alles hatte damit begonnen, das richtige Manuskript aus einer Vielzahl bereits abgeschlossener Bücher auf meiner Festplatte auszusuchen, zu überarbeiten sowie korrigieren zu lassen, und war beendet gewesen, als ich im Garten meiner Eltern pinkfarbene Unterwäsche und ein Footballsuspensorium an einem Baum befestigte, um ein Foto für das Buchcover zu schießen.
Vermutlich muss ich nicht erwähnen, dass das Endprodukt wenig geschmackvoll war und dass die Nachbarn, die dieses besondere Fotoshooting mit ungläubigen Blicken verfolgten, mich für absolut durchgedreht hielten. Aber mal ehrlich: Jemand, der bei Kochsendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mitmacht und romantische Bücher über amerikanische Footballspieler schreibt, passt vermutlich ganz gut zu der landläufigen Definition des Wortes ‚durchgedreht‘.
Trotz dieses ungewöhnlichen Covers fand mein Buch überraschenderweise seinen Weg zu Leserinnen, die auch den Nachfolgeband Make Love und spiel Football – ebenfalls mit einem gewöhnungsbedürftigen Cover gesegnet – kauften.
Innerhalb von drei Monaten hatten sich diese beiden Romane um die 15.000-mal verkauft. Ehrlich gesagt hatte ich mit 50 verkauften Exemplaren auf das ganze Jahr verteilt gerechnet – und das auch nur, wenn ich in wirklich optimistischer Stimmung war. Gnädigerweise verzichtete meine beste Freundin darauf, mich zu Kreuze kriechen zu lassen, da sie mir von Anfang an versichert hatte, dass die Bücher erfolgreich sein würden, jedoch verschonte sie mich nicht damit, mit ein klein wenig überheblicher Stimme wiederholt zu betonen: ‚Ich hab’s dir doch gesagt.‘
Der schönste Beruf der Welt
Zwei Jahre später ist aus einem Hobby mein Beruf geworden. Die Doktorarbeit ist noch immer nicht abgeschlossen, dafür sind mehr als zehn Romane erschienen, die sich über 500.000-mal verkauft haben. Ich bin eine Autorin, die das Glück hat, tagtäglich voller Freude und Spaß dem schönsten Beruf der Welt nachgehen und dabei völlig eigenständig über die eigenen Werke entscheiden zu können. Dies habe ich KDP von Amazon zu verdanken – und auch meiner Freundin, die noch heute alle Manuskripte liest, bevor sie auf die Leserschaft losgelassen werden.
Natürlich bedeutet das Arbeiten als Selbstpublisher auch, dass man sehr viel Energie und Disziplin beweisen muss. Aber es gibt kein großartigeres Gefühl, als so viele Menschen mit den eigenen Geschichten erreichen zu können und auf Tuchfühlung mit seinen Leserinnen gehen zu dürfen – nicht einmal die erfolgreiche Teilnahme an einer Kochsendung schafft das.
PS: Heute schleiche ich nicht mehr mit einer Kamera bewaffnet um Bäume herum, fotografiere pinkfarbene Unterhosen und belustige die Nachbarn meiner Eltern, sondern lasse die Cover lieber von Profis machen.“