„Toll, wie ihr das macht – aber bei mir würde das nie gehen.“ Diesen Satz hört Martina Moll oft, wenn sie mit anderen über ihr Modell spricht. Die 38-Jährige ist Senior Projektmanagerin für Hardlines bei Amazon – und ihr Mann Matthias Head of Vendor Management im Bereich Möbel. Beide haben sich vor rund einem Jahr dazu entschlossen, sich Arbeit und Familienzeit gleichberechtigt aufzuteilen. Die beiden Amazonians, die sich vor neun Jahren im Unternehmen kennenlernten, sind Eltern von zwei Kindern im Alter von 5 und 3,5 Jahren. Und auch, wenn sie für ihre Entscheidung von anderen oft bewundert werden, sind sie damit bislang die Ausnahme in ihrem Bekanntenkreis. „Gerade Männer sind oft der Ansicht, dass eine Teilzeitstelle zwar auch für sie wünschenswert wäre, aber in ihrem Job, ihrer Firma und in ihrer momentanen Situation nicht umsetzbar sei“, erzählt Matthias. „Und damit ist das Thema für sie in der Regel erledigt. Dabei haben die meisten noch nicht mal bei ihrem Vorgesetzten nachgefragt“, ergänzt Martina. Laut dem Väterreport des Bundesfamilienministeriums leben tatsächlich nur 14 Prozent der Elternpaare in Deutschland ein ähnlich gleichberechtigtes Partnerschafts- und Familienmodell, obwohl es sich rund 60 Prozent der jüngeren Eltern wünschen.

„Ich fühle mich komplett gleichberechtigt“

Nach der Geburt der beiden Kinder entschieden sich Martina und Matthias zunächst auch für das klassische Model: Martina blieb eine Zeitlang ganz zu Hause und kehrte dann in Teilzeit zurück. Matthias nahm beim ersten Kind zwei, beim zweiten drei Monate Elternzeit und arbeitete dann wieder Vollzeit. „Doch ich merkte, dass mir Zeit für die Kinder fehlte“, sagt der 36-Jährige. „Und ich wollte gerne meine Arbeitszeit anders einteilen“, so Martina. „Wir hatten beide den Wunsch uns die Aufgaben gleichmäßig aufzuteilen.“ Matthias reduzierte daraufhin seine Arbeitszeit von 40 auf 30 Stunden, und Martina arbeitet 25 Stunden in der Woche. Beide kümmern sich jeweils an zwei Nachmittagen um die Kinder, während der andere arbeitet. „Komplett gleichberechtigt“ fühle sie sich, sagt Martina. Matthias unterschreibt das nicht ganz. Nicht, weil er fünf Wochenstunden mehr arbeitet als seine Frau, sondern weil er in den letzten fünf Jahren zwei Karrierestufen nach oben geklettert ist, während Martina auf der gleichen Position blieb. „Mein Fokus war in diesen Jahren ein anderer“, sagt Martina, „schließlich habe ich in der Zeit meine beiden Kinder bekommen. Ich habe aber noch einiges vor und mir stehen auch als Mutter von zwei Kindern bei Amazon alle Wege offen“, sagt sie.

Ein Riesenluxus: Gemeinsame Paarzeit als Eltern

Für Martina passt ihre Teilzeit-Stelle als Projektmanagerin perfekt zu ihrer aktuellen Lebenssituation. „Ich arbeite in einem EU-weiten Projekt mit vielen Herausforderungen. Trotzdem bleibt genug Zeit für meine Familie. Eine super Mischung“, erzählt sie. „Meine Chefin arbeitet selbst in Teilzeit, und die Stelle ihrer Chefin wiederum ist im Job-Sharing besetzt, von zwei Müttern in Teilzeit. Eine Traumkonstellation für arbeitende Eltern – Verständnis für plötzlich kranke Kinder und Kita-Schließtage inklusive“, lacht Martina. Sowohl sie als auch Matthias genießen in puncto Arbeitszeiten maximale Flexibilität und volles Vertrauen seitens ihrer Vorgesetzten. Ihre wöchentlichen Arbeitsstunden absolvieren sie von Montag bis Donnerstag, Martina hat zusätzlich einen festen Homeoffice-Tag in der Woche. „Bei Bedarf können wir jederzeit früher nach Hause und die Arbeit zum Beispiel nachholen, wenn die Kinder im Bett sind“, erläutert Matthias. Den Freitag haben beide frei, und weil die Kinder freitags trotzdem bis nachmittags in den Kindergarten gehen, gehört der halbe Tag nur ihnen als Ehepaar. „Es ist ein Riesenluxus, diese Zeit als Paar miteinander zu haben, aber auch die Zeit mit der ganzen Familie,“ finden beide. „Nicht jeder kann es sich finanziell leisten, dass beide Partner in Teilzeit arbeiten“, sagt Matthias. „Aber wenn man es kann und beide es möchten, sollte man mutig sein und neue Wege gehen.“