Im August 2001 trat Claus-Dieter Schwab einen Job bei Amazon an. Fast auf den Tag genau 19 Jahre später feiert er nun seinen Abschied in den Ruhestand. Damit ist er der erste Corporate Mitarbeitende bei Amazon Deutschland, der in Rente geht. Im Interview erzählt er, wie er die vergangenen zwei Jahrzehnte als Amazonian erlebt hat.
Hallo Claus! Was genau ist deine Rolle bei Amazon?
Ich bin Senior Vendor Manager im Bereich Books. Unser Team betreut die Buchverlage, mit denen Amazon zusammenarbeitet, und koordiniert die vertraglichen Beziehungen. Zum Beispiel planen wir mit den Verlagen gemeinsame Strategien für Marketing oder Logistik. Übrigens arbeite ich schon seit meinem ersten Tag bei Amazon im Einkauf für Bücher! In der Zeit hat sich natürlich wahnsinnig viel verändert, aber meine Arbeit hat mir immer Spaß gemacht. Ich bin selbst ein Büchernarr und habe zu Hause eine große Bibliothek. Ursprünglich wollte ich eigentlich Lehrer werden. Aber Quereinsteiger wie mich gibt es ja oft bei Amazon.
Du hast im August 2001, also ziemlich exakt vor 19 Jahren, bei Amazon angefangen. Wie kam es dazu?
Ich war einfach neugierig! Amazon war damals als Marke zwar schon bekannt, aber ich denke nur wenige Menschen in Deutschland konnten sich vorstellen, was man bei einer „Internet-Firma“ eigentlich genau macht. Ich war zu der Zeit Leiter des Zentraleinkaufs für einen Bahnhofsbuchhändler in München und fand es spannend, mich in Richtung Onlinehandel weiterzuentwickeln. Beim Bewerbungsgespräch war ich sehr beeindruckt davon, wie jung und trotzdem professionell das Unternehmen war. Damals arbeiteten im Corporate Bereich – also in den Amazon Büros – ja nur etwa 180 Leute. Ich hatte gleich das Gefühl, dass es bei Amazon einen Plan gab und jede und jeder wusste, was dieser Plan ist. Und ich dachte: „Ich passe dahin!“
Was waren damals deine Erwartungen – für dich persönlich aber auch für das Unternehmen?
Den Freiraum und die Eigenständigkeit, die ich mir in meinem vorherigen Job erarbeitet hatte, wollte ich gerne behalten. Ansonsten war mir bewusst, dass eine weitgehend andere Art zu arbeiten auf mich zukommen würde. Meine Zulassungsarbeit zum Staatsexamen hatte ich noch mit der Schreibmaschine geschrieben, mit dem Faxgerät konnte ich auch umgehen, aber jetzt gab es diese E-Mails zur Kommunikation – da hatte ich schon ein paar Fragezeichen. Ich freute mich aber sehr darauf, für ein internationales Unternehmen zu arbeiten, mit dem so viele Menschen als Kundinnen und Kunden in Kontakt kommen.
Wie hast du deine Anfangszeit bei Amazon erlebt?
Bei Amazon ist immer sehr viel „Learning by Doing“ dabei – das war damals schon so und ist heute nicht anders. Auch ich wurde in meiner ersten Woche ein Stück weit ins kalte Wasser geworfen. Natürlich gab es auch Trainings zur Einarbeitung, allerdings weniger – und weniger systematisch – als das heute der Fall ist. Ich war begeistert von den Kolleginnen und Kollegen, der positiven Stimmung und der Vielfalt, die schon damals vorhanden waren. Woran ich mich aber auch erinnere: Als drei Wochen nach meinem Start-Termin der Anschlag auf das World Trade Center verübt wurde, fühlte sich das für uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines US-Unternehmens noch einmal näher an. Und ich weiß noch, dass ich damals beeindruckt war von der Reaktion Amazons und der Bereitschaft, den Betroffenen zu helfen. Es ist schon merkwürdig, darüber nachzudenken, dass ich nun während eines weiteren einschneidenden Ereignisses der Weltgeschichte – der Corona-Pandemie – Amazon wieder verlasse.
Wie müssen wir uns das Arbeiten bei Amazon im Jahr 2001 vorstellen?
Nicht grundsätzlich anders als heute, aber die Strukturen waren noch deutlich übersichtlicher. Amazon hatte zu der Zeit ein einziges Logistikzentrum in Deutschland, nämlich in Bad Hersfeld. Zu den Kolleginnen und Kollegen dort hatten wir einen direkten Draht, die Kommunikationswege waren sehr kurz. Ein Mitarbeiter, mit dem ich regelmäßig zu tun hatte, arbeitet übrigens immer noch dort! Als Abteilung haben wir damals noch mehr ausprobiert: E-Commerce war neu in Europa, und über das Kaufverhalten wussten wir noch ziemlich wenig. Und die Prozesse waren noch sehr manuell, wir haben unsere Bestelllisten an die Verlage noch händisch mit einer Excel-Liste erstellt. Heute läuft das alles automatisch.
Wie würdest du Amazon heute als Arbeitgeber beschreiben? Warum bist du so lange dabeigeblieben?
Es hat natürlich Spaß gemacht, für ein Unternehmen zu arbeiten, das wirtschaftlichen Erfolg hat. Daran wirkt man als Mitarbeiter ja selbst mit und hat auch Anteil daran. Das ist aber nur ein Aspekt von vielen: Der Zusammenhalt im Team war ganz maßgeblich dafür, dass ich durchgängig gerne bei Amazon gearbeitet habe. Und wenn wir experimentieren wollten, konnten wir uns der nötigen Rückendeckung durch das Senior Management sicher sein – auch wenn mal etwas schiefging. Diese Fehlerkultur hat es möglich gemacht, immer wieder neue Ideen einzubringen und zu verfolgen. Auch die Tatsache, dass ich mit vielen unterschiedlichen und interessanten Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten durfte, war ein großer Pluspunkt. Nicht zuletzt fand ich auch die Kontinuität im Senior Leadership, zum Beispiel mit unserem Country Manager Ralf Kleber, der bereits seit 1999 dabei ist, sehr positiv.
Eines der Kernprinzipien von Amazon ist ja „It’s always Day One“ – wie schafft man es, das 19 Jahre lang zu leben?
Das habe ich gar nicht als so schwierig empfunden. Meine Aufgaben und Funktionen haben sich häufig geändert und wurden erweitert, dementsprechend habe ich immer Neues dazugelernt. Darum geht es meiner Meinung nach bei „Day One“: die Bereitschaft, den Status immer wieder zu hinterfragen, und Herausforderungen als Möglichkeiten zum Lernen zu begreifen. Bei Gesprächen mit Bewerberinnen und Bewerbern war dies eine wichtige Eigenschaft, die ich bei meinem Gegenüber sehen wollte. Wie geht jemand mit Veränderung um? Wir haben über die Jahre viele beeindruckende Kolleginnen und Kollegen rekrutiert, von denen ich mir sehr viel abschauen konnte. Und im Gegenzug meine Erfahrungen mit ihnen zu teilen, war ebenfalls sehr bereichernd.
Gibt es bestimmte Momente, an die du dich noch lange erinnern wirst?
Ja, ich glaube, es wird gewisse Fixpunkte im Jahr geben, an denen ich ein bisschen wehmütig an meine Zeit bei Amazon zurückdenken werde. Zum Beispiel die sehr intensive Vorweihnachtszeit, die immer einen gewissen Reiz hat. Das wird mir trotz der Hektik ein wenig fehlen! Ich werde auch die legendären jährlichen Sommerfeste nicht vergessen, bei denen man schon mal das Senior Management als Hippies verkleidet antreffen konnte! Ein anderer solcher Termin ist auch die Frankfurter Buchmesse. Eine Anekdote, die ich immer gern erzähle, handelt von meinem ersten Chef bei Amazon. Wir waren gemeinsam auf der Buchmesse unterwegs, zu der er mit Schottenrock und Piercing erschienen war – damals war das nicht unbedingt der Dresscode für geschäftliche Termine. Ich will jetzt nicht sagen, dass man uns nicht ernst genommen hat, aber wir haben sicherlich viel frischen Wind reingebracht!
Freust du dich trotzdem auf das Leben als Rentner?
Natürlich! Spontanes Reisen, Kunstaustellungen in anderen Städten besuchen, mehr Zeit mit der Familie verbringen – darauf freue ich mich sehr. Und natürlich aufs Lesen – ich bleibe eben auch weiterhin ein Büchernarr.