37.000 junge Menschen sind in Deutschland ohne ein Zuhause, schätzt das Deutsche Jugendinstitut DJI. Genaue amtliche Zahlen gibt es nicht, denn: „Die Dunkelziffer ist hoch. Viele schlagen sich durch, ohne offiziell als wohnungs- oder obdachlos gemeldet zu sein“, sagt Markus Seidel, Vorstandssprecher der Off Road Kids. Die Hilfsorganisation betreut Kinder und Jugendliche in Deutschland ohne ein Zuhause: jugendliche Ausreißer und solche, die von ihren Familien vor die Tür gesetzt wurden. Die meisten sind zwischen 15 und 21 Jahre alt. Die Organisation unterhält ein Netz von Streetwork-Stationen und eine 24-Stunden-Beratung via Live-Chats oder Telefon. Daneben gibt Programme für Bildung und Integration, Gesundheitsvorsorge oder Beratung von Eltern bzw. Familien.
„Unsere Spendeneingänge sind seit März 2020 komplett eingebrochen. Was das Geld angeht, können wir wirklich richtig viel Hilfe brauchen."
Hilfe für die Off Road Kids:
Spenden
In den letzten Wochen und Monaten gab es für die Mitarbeiter von Off Road Kids viel zu tun. „Mehr als 1.400 Notrufe von Kindern und Jugendlichen sind im ersten Halbjahr bei uns eingegangen. Corona hat die Anrufe gut vervierfacht“, ist sich Markus Seidel sicher: „Wo es vorher in den Familien gekriselt hat, kam es zum echten Krach. Isolation und Enge sind Gift für solche Familien.“
Beratung und Hilfe bietet Off Road Kids nicht nur Kindern und Jugendlichen, die bereits auf der Straße leben. Auch junge Menschen, die kurz davor sind, von zuhause auszureißen oder die bei Bekannten zeitweise untergekommen sind, erhalten Hilfe. „Sofa-Hopper“ nennt sie Off Road Kids. „Sofa-Hopper haben normalerweise keinen Kontakt mehr zu ihren Familien. Sie besuchen keine Schulen, sind nicht in Ausbildungen. Ohne Hilfe und Aussichten auf eine stabile Lebensperspektive unterscheiden sie sich kaum von Jugendlichen, die auf der Straße leben. Die Gefahr ist groß, dass sie irgendwann auf der Straße landen“, sagt Markus Seidel.
Off Road Kids wendet sich mit gezielten Online-Angeboten an Sofa-Hopper. Die erste Kontaktaufnahme sei über eMails, Live-Chats oder Telefon, sagt Markus Seidel: „40 Prozent der Anfragen kommen aus Standorten, an denen wir Streetworker-Stationen haben. Dann können wir vor Ort beraten.“ Ansonsten funktioniert die Beratung virtuell. Off Road Kids arbeitet bundesweit.
Die Finanzierung der Angebote erfolgt in erster Linie aus Spendengeldern. Für Markus Seidel ist sie in diesem Jahr zu einem besonderen Kraftakt geworden. „Die Spendeneingänge sind seit März 2020 komplett eingebrochen. Was das Geld angeht, können wir wirklich richtig viel Hilfe brauchen.“ – Hilfe, die beispielsweise Julia benötigt. Ihr Vater hat sie an ihrem 18. Geburtstag vor die Tür gesetzt, aktuell konnte sie bei einer Freundin unterkriechen. Für wie lange, weiß sie nicht – auch nicht, wie sie ihr Leben in den Griff bekommen soll.