Die Bundesregierung evaluiert derzeit § 19a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), knapp fünf Jahre nachdem die Vorschrift in Kraft getreten ist. Amazon erlaubt sich dazu die folgenden Beobachtungen und Anregungen für eine harmonisierte Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union.
Deutschland gehört seit Langem zu den international führenden Technologiestandorten mit einer florierenden Start-up-Szene und hochqualifizierten Arbeitskräften. Amazon investiert seit über 25 Jahren in Deutschland und hat damit erheblich zu diesem Wachstum beigetragen. Seit 2010 haben wir mehr als 90 Milliarden Euro in Deutschland investiert 14 Milliarden Euro davon allein im Jahr 2024. Wir beschäftigen hierzulande mehr als 40.000 Menschen und ermöglichen rund 47.000 deutschen Verkaufspartnern, ihre Kunden national und international über Amazon zu erreichen.
Allerdings stagniert die deutsche Wirtschaft seit 2021. Der demografische Wandel und langsames Produktivitätswachstum tragen zu dieser Entwicklung bei, und übermäßige, sich überschneidende Regulierung behindert kleine und mittlere Unternehmen. Eine Verringerung der Komplexität des deutschen Regulierungsrahmens und die Beseitigung von Überschneidungen mit dem Regulierungsrahmen der EU würden wesentlich dazu beitragen, dass Deutschland sein starkes wirtschaftliches Potenzial voll ausschöpfen kann.
Teil dieser Regulierung ist § 19a GWB, mit dem der deutsche Gesetzgeber ein eigenes Regulierungsregime für große Tech-Unternehmen geschaffen hat. Anlässlich der derzeitigen Evaluierung dieser Vorschrift, knapp fünf Jahre nach ihrer Einführung, halten wir es für geboten, zu überdenken, ob dieses zusätzliche Instrument nationaler Regulierung seinem beabsichtigten Zweck tatsächlich dienlich ist. Europa benötigt einen vollständig harmonisierten Ansatz in der Wettbewerbspolitik, der unnötige Komplexität reduziert und gleichzeitig wirksamen Wettbewerbsschutz gewährleistet. § 19a GWB läuft diesen Zielen zuwider.
Vier grundlegende Herausforderungen
Unsere Erfahrungen mit § 19a GWB geben in mehrfacher Hinsicht Anlass, die Wirksamkeit der Vorschrift in Frage zu stellen:
- Abkehr vom wirkungsbasierten Wettbewerbsrecht: In seiner derzeitigen Fassung erlaubt § 19a GWB Eingriffe, ohne dass das Bundeskartellamt konkrete, potenziell wettbewerbswidrige Auswirkungen des betreffenden Verhaltens nachweisen müsste. Dieser weit gefasste präventive Anwendungsbereich hat zur Folge, dass auch legitime Formen des Wettbewerbs gehemmt oder beeinträchtigt werden. Dies schafft Rechtsunsicherheit und kann Innovation behindern.
- Grenzüberschreitende Natur der Fälle: Das durch § 19a GWB adressierte Verhalten betrifft fast ausschließlich mehrere EU-Mitgliedstaaten. National zugeschnittene Abhilfemaßnahmen bergen somit das Risiko widersprüchlicher Verpflichtungen innerhalb der EU. Dies schließt das aktuelle Verfahren ein, das das BKartA gegen Amazon und seine Preismechanismen im Amazon Store in Deutschland eingeleitet hat, da auch nicht-deutsche Verkäufer und Kunden in diesem Store aktiv sind.
- Ressourcenallokation: Angesichts der vorgenannten Defizite sind Verfahren nach § 19a GWB komplex und datenintensiv, auch weil sie globale Geschäftsmodelle der jeweiligen Unternehmen betreffen. Dies stellt eine signifikante Belastung für das Bundeskartellamt dar und führt zu langen Verfahrensdauern und fragmentierten Schadenstheorien. Zudem binden sie Unternehmensressourcen für Compliance-Zwecke, die anderenfalls Innovationen für Kunden und Verkaufspartner zugutekämen.
- Eingeschränkte gerichtliche Überprüfung: Einzige Rechtsmittelinstanz für Fälle nach § 19a GWB ist der Bundesgerichtshof. Dessen besondere Expertise besteht aber traditionell in der Befassung mit reinen Rechtsfragen, nicht in intensiven Tatsachenfeststellungen in komplexen wirtschaftlichen Angelegenheiten, wie es nun bei § 19a GWB erforderlich ist.
Überschneidende Regulierung schafft unnötige Komplexität
Die Einführung des Digital Markets Act (DMA) ein Jahr nach Inkrafttreten von § 19a GWB hat die Regulierungslandschaft in der Europäischen Union grundlegend verändert. Unternehmen sehen sich nun parallelen Regulierungsregimen mit ähnlichen Zielen, aber unterschiedlichen Anforderungen gegenüber. Dies schafft Rechtsunsicherheit, operative Komplexität und Innovationshemmnisse. Ressourcen, die für die Bewältigung regulatorischer Überschneidungen aufgewendet werden müssen, könnten besser für Innovation eingesetzt werden.
Amazon erfährt diese Herausforderung derzeit aus erster Hand, da unsere Preismechanismen im Fokus eines aktuellen Verfahrens des Bundeskartellamts stehen, nachdem sie bereits Gegenstand einer früheren Untersuchung der Europäischen Kommission waren und im Rahmen des DMA untersucht werden können.
Übereinstimmung mit Deutschlands Prioritäten
Die Bundesregierung betont die Bedeutung der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch Deregulierung, digitale Modernisierung und Investitionen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien dazu verpflichtet, die Bürokratiekosten für Unternehmen um 25 Prozent zu senken und eine schlanke, benutzerfreundliche öffentliche Verwaltung zu schaffen.
Wenn Deutschland sich zu Wirtschaftswachstum und innovationsfreundlicher Regulierung bekennt, muss § 19a GWB an diesem Maßstab gemessen werden.
Der Blick vorwärts: Harmonisierung und Effizienz
Amazon sieht in der Evaluierung von § 19a GWB durch die Bundesregierung eine Chance, die Regulierungseffizienz zu verbessern und gleichzeitig wirksame Wettbewerbsschutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Vor dem Hintergrund der Überschneidung von § 19a GWB mit dem DMA sowie grundlegender Defizite bei § 19a GWB selbst muss dessen Notwendigkeit überdacht werden. Europa benötigt einen vollständig harmonisierten Ansatz für die Wettbewerbspolitik, der unnötige Komplexität reduziert und gleichzeitig effektiv durchgesetzt werden kann. § 19a GWB läuft dieser Zielsetzung zuwider.
Wir freuen uns darauf, unsere Erfahrungen und Erkenntnisse in den Dialog einzubringen, um zu einem Regulierungsrahmen beizutragen, der Wettbewerb und Innovation in Deutschlands digitaler Zukunft als Teil des Europäischen Binnenmarkts gleichermaßen fördert.
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