Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK München und Oberbayern, am 29.06. bei der Preisverleihung des Förderprogramms „Unternehmer der Zukunft“ von Amazon und WirtschaftsWoche mit den Siegerinnen in der Kategorie Export, Christiane Jordan und Antje Rudolph (v.l.n.r.).
Kaum jemand kennt Unternehmen und ihre Herausforderungen so gut wie die Industrie- und Handelskammern. Peter Driessen ist Hauptgeschäftsführer der IHK München und Oberbayern. Als Juror unterstützte er gerade die Förderinitiative „Unternehmer der Zukunft“ von Amazon und WirtschaftsWoche und erzählt nun im Interview, wie sich Unternehmen auf Digitalisierung einstellen können, insbesondere wenn sie im stationären Handel aktiv sind.
Herr Driessen, vor kurzem fand bei Ihnen im Haus das „Zukunftsforum Handel 2017“ statt und widmete sich den Herausforderungen und digitalen Chancen für den stationären Handel. Was war das Feedback der Teilnehmer – gab es Punkte, die Sie überrascht haben?
Wie in den vergangenen beiden Jahren war das Feedback der Teilnehmer sehr positiv. Das Zukunftsforum Handel hat gezeigt, dass viele stationäre Einzel- und auch Großhändler bereits Schritte zur digitalen Transformation unternommen haben. Dabei wird die Begleitung durch die IHK für München und Oberbayern gerne angenommen. Neben dem fachlichen Input profitieren die Unternehmen besonders vom Austausch mit anderen Betrieben, die von ihrem eigenen Weg in den Onlinehandel berichten.
Positiv überrascht hat mich vor allem das große Engagement, mit dem viele Betriebe vorangehen, die Vielfalt an digitalen Lösungswegen sowie die individuellen Websites, mit denen viele Firmen bereits aufgestellt sind. Außerdem haben mich die vielen Startups mit ihren Lösungen für den digitalen Handel begeistert.
Sie sind seit über dreißig Jahren bei der IHK in München und haben in dieser Zeit die Digitalisierung vieler Unternehmen miterlebt. Aus Ihrer Erfahrung: Was sind die typischen Hürden und was muss ein kleiner Betrieb mitbringen, um sich erfolgreich auf den Weg in den Onlinehandel machen zu können?
Der erste wichtige Schritt in puncto Digitalisierung ist die Erkenntnis, dass es mit einem „Weiter so“ nicht getan ist. Studien zeigen, dass sich der E-Commerce-Anteil am Gesamtumsatz des Einzelhandels von heute gut 8 % bis 2021 signifikant steigern wird. Bestimmte Szenarien rechnen sogar mit einer Verdopplung. Hinzu kommt, dass die mit digitalen Medien aufgewachsene junge Generation in Zukunft die Mehrheit stellen wird. Digitalisierung muss als Chance für den stationären Handel wahrgenommen werden und ganz oben auf der Agenda priorisiert sein. Der Wandel in der Branche war nie so stark wie heute.
Mit dieser Erkenntnis kann die Umsetzung beginnen. Wichtig dabei ist, sich nicht in einer Informationsflut zu verzetteln, sondern strategisch vorzugehen. Dazu gehört beispielsweise, sich mit technischen Neuerungen zu beschäftigen und Sichtbarkeit im Internet zu erzeugen. Nicht jeder Händler muss online verkaufen, eine Online-Präsenz ist aber Pflicht, um mobil gefunden zu werden.
Insgesamt ist eine ganzheitliche und auf das Unternehmen abgestimmte Digitalstrategie die größte Hürde für kleine Unternehmen. Neben einer Webpräsenz sind auch die Themen Lieferlogistik, Systemintegration und Zahlungsmanagement von elementarer Bedeutung. Da steht man als Unternehmer schnell vor der Frage, ob es eine eigene Webpräsenz werden soll oder bestehende Plattformen von Dritten genutzt werden sollen. Gerade für kleine Unternehmen sind außerdem Tipps entscheidend, die direkt in die Praxis umgemünzt werden können und die mit einem nicht ausufernden Budget zu stemmen sind.
23 Beispiele gibt es beim Programm „Unternehmer der Zukunft“, bei dem Sie als Jury-Mitglied die vier Sieger am 29. Juni hier in München gekürt haben. Gibt es unter den Teilnehmern Vorgehensweisen, an denen sich andere Händler orientieren können?
Viele der Unternehmen, die ich mir angesehen habe, sind hier mit viel Elan und guten Ideen unterwegs. Das macht die Entscheidung alles andere als leicht. Wichtig sind ein stimmiges Gesamtkonzept und der stetige Wille, sich durch gezieltes Marketing und Kundenkommunikation professionell zu positionieren, ob im In- oder Ausland. Genauso ist der stetige Austausch mit anderen Unternehmern und Digitalexperten Pflicht – das haben alle Teilnehmer eindrucksvoll bewiesen.