Dr. Ralf Herbrich ist Geschäftsführer der Amazon Development Center Germany GmbH und Standortleiter Berlin. Bei Amazon arbeitet er daran, Maschinen das Denken beizubringen. Im Interview erklärt er am Beispiel Handel, was Computer alles können – und bald noch können werden.

Autos, die selbst fahren, Maschinen, die faules Obst aussortieren, und Software, die Produktbeschreibungen in alle Sprachen übersetzt – übernehmen Computer künftig unsere alltäglichen Aufgaben?

Die Rolle von Technologie ist wichtig, aber natürlich begrenzt. Computer werten Daten aus, extrahieren automatisch Muster aus den Daten und helfen uns dabei, besser zu entscheiden, indem die Muster zur Vorhersage benutzt werden. Wir können große Datenmengen ja nicht überblicken. Die Rechner schon. Trotzdem werden wir die wichtigen Entscheidungen weiterhin treffen.

Wobei helfen Maschinen zum Beispiel?

013.jpg

Software kann inzwischen abschätzen, wie viele blaue Herrenhemden Kunden nächstes Jahr kaufen. Wir treffen solche Vorhersagen für Millionen von Produkten.

Wie funktioniert das genau?

Auf Basis von Daten aus der Vergangenheit erkennt die Software Muster. Man muss sie mit vielen Datensätzen füttern, gerade bei Mode, wo es ja nicht nur ein Produkt gibt, sondern verschiedene Farben, Größen und Stoffe. Um genug Daten zu bekommen, hat Amazon im Falle der blauen Hemden ähnliche Produkte zusammengefügt – also über verschiedene Hersteller hinweg. Das wertet der Rechner dann aus und sagt uns: Im März sind es vermutlich soundso viele Hemden.

Sie wissen also im Detail, was ein bestimmter Kunde in der kommenden Woche bestellt?

Nein – das natürlich nicht, da wir nur mit kumulierten Daten über alle Kunden hinweg arbeiten. Aber wir erhalten eine gute Schätzung darüber, wie oft etwa in diesem Monat bestimmte Produkte über die virtuelle Theke gehen.

Und was nützt das dem Kunden?

Die Nachfrage vorherzusagen, heißt für Kunden vor allem: eine schnellere Lieferung, da Amazon besser planen kann – und günstigere Preise, weil die Lagerkosten sinken.

Wenn Sie nur das anbieten, was Kunden laut Vorhersage kaufen: Wie viel Raum für Neues bleibt da?

Jede Menge. Jeder Händler kann bei Amazon seine Waren einstellen und testen, wie sie ankommen. Er geht dabei kein größeres Risiko ein – mithilfe von Machine Learning sind wir in der Lage, automatisch Ähnlichkeiten zu bestehenden Produkten zu entdecken und die Nachfrage genauer vorherzusagen. Innovation wird dadurch leichter. Dass Amazon bei vielen Standardprodukten Vorhersagen treffen kann, steht dem nicht entgegen. Das macht es dem Händler ja nur leichter.