Die beiden Berliner Initiativen Junge Tüftler und be.able entwickeln im Rahmen der Förderinitiative digital.engagiert ein Workshop-Format für Kinder und Jugendliche. Als Programmierer, Entwickler, Kreative arbeiten die Kids und Teens während sogenannter Hacky Days (altersgerechte Hackathons) an Prototypen, die Menschen mit körperlicher Behinderung helfen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Das Motto der Berliner Initiativen: „Für ein besseres Wir im Kiez!“
Jonas Deister ist schon zum zweiten Mal bei digital.engagiert als Coach dabei. Er ist Geschäftsführer bei den Sozialhelden e.V., die seit über zehn Jahren mit Leidenschaft und Spaß lösungsorientierte Projekte entwickeln, um damit auf soziale Probleme aufmerksam zu machen und sie im besten Fall zu beseitigen. Und deshalb passt Jonas als Coach so gut zu den Hacky Days.
Für digital.engagiert haben wir Giulia und Julia von Junge Tüftler gemeinsam mit ihrem Coach Jonas über ihre Arbeit, Ziele und die Motivation von Kindern, Menschen zu helfen, gesprochen.
Hacky Days – Worum geht es bei eurem Projekt genau? Und warum macht ihr bei digital.engagiert mit?
Julia (Junge Tüftler): In unserem Projekt geht es darum, Workshop-Formate für Kinder und Jugendliche zu erstellen, in denen sie Lösungen für Menschen mit Behinderungen entwickeln und eigene Prototypen erarbeiten. Auf Basis der Kreativtechnik Design-Thinking möchten wir altersgerechte Hackathons konzipieren und damit für inklusive Themen sensibilisieren. Dafür haben wir von Junge Tüftler und be.able uns als Initiativen extra zusammengeschlossen - um unsere Kompetenzen und Expertisen aus verschiedenen Bereichen nutzen zu können. Wenn wir sagen, wir wollen eine Gesellschaft schaffen, an der alle Menschen gleichermaßen teilhaben können und sollen, dann ist es auch wichtig, alle wirklich einzubeziehen und eine Umwelt zu gestalten, die niemanden ausgrenzt. Hacky Days gibt uns die Möglichkeit, prototypisch erste Wege zu gehen.
digital.engagiert passt zu uns, da auch wir mithilfe digitaler Werkzeuge die Gesellschaft verändern möchten. Online und Offline geht heute Hand in Hand. Digitales Engagement allein löst oft keine Probleme: Aber es hilft, Menschen zu erreichen oder Engagement leichter zu machen. Die Offline-Komponente ist aber weiter wichtig. Dank der Unterstützung von digital.engagiert können wir das Thema jetzt dezidiert angehen und haben die Möglichkeit, mit dem Projekt erste Schritte zu gehen.
Wie läuft denn so ein Hackathon ab?
Julia (Junge Tüftler): Die Workshops finden jeweils zwei Tage im „Real Life“ statt. Am ersten Tag geht es darum, Vertrauen und Empathie aufzubauen und den Kindern und Jugendlichen zu zeigen, wo mögliche Probleme liegen. Dazu greifen wir auf die „Empathie-Tools“ von be.able zurück. Die Teilnehmenden laufen zum Beispiel mit Blindenbinde und -stock durch die Stadt und merken, wie die Gesellschaft blinde Menschen behindert. Oder sie fahren im Rollstuhl durch ihren „Kiez“ und finden Stellen, an denen sie nicht weiterkommen. Gewappnet mit einer Karte ihres Kiez – meist Schule oder Stadtteil – markieren sie solche Orte und sammeln Ideen, wie die Situation verbessert werden kann. Bevor diese Ideen dann umgesetzt werden, gibt es von uns Inspirationen für digitale Werkzeuge, die die Kinder und Jugendlichen nutzen können. Egal ob Mikrocontroller, Programmier-Codes oder Roboter. Am zweiten Tag konkretisieren die Teilnehmenden dann ihre Ideenskizzen und entwickeln Prototypen, die sie am Ende präsentieren. Die Hacky Days werden anschließend dokumentiert und als OER Material (Open Educational Resources, offene Bildungsinhalte) verbreitet und auf bereits etablierten OER-Plattformen wie der TüftelAkademie veröffentlicht. Somit wird der innovative Ansatz des Projektes Lehrer sowie Multiplikatoren digital deutschlandweit zur Verfügung gestellt.
Jonas, du nimmst schon zum zweiten Mal als Coach bei digital.engagiert teil. Was ist deine Motivation, dich hier einzubringen?
Jonas: Es macht Spaß, mit Teams zu arbeiten, die intrinsisch motiviert sind und gesellschaftlich etwas bewegen wollen. Sozialhelden e.V. stellt solchen Teams gerne Expertise und Netzwerke zur Verfügung. Auch wir haben damals von solcher Unterstützung profitiert. Sparringspartner sind wichtig, um seinem Ziel näher zu kommen. Und auch für mich ist es schön, mal aus meiner bekannten Umgebung herauszukommen und neue Impulse mitzunehmen.
Die von einer Jury aus fast 150 Bewerbungen ausgewählten Projekte wurden von digital.engagiert mit Coaches gematcht. Was war deine Reaktion als du auf dem Kick-Off Treffen erfahren hast, dass Du Hacky Days coachen wirst?
Jonas: Ich habe mich sehr gefreut. Wir von den Sozialhelden hatten mit Junge Tüftler bereits vor digital.engagiert Kontakt. Das Coaching macht absolut Sinn, weil wir uns thematisch überschneiden und uns gegenseitig inspirieren können: Mit unserem Projekt „Wheelmap macht Schule“ unterstützen wir beispielsweise ebenfalls Lehrerinnen und Lehrer, die mehr mit dem Thema Inklusion/Diversity arbeiten wollen. Und das ist eben auch das Schöne an den Hacky Days: Mit Workshops Kinder zu sensibilisieren und zu befähigen, etwas zu entwickeln kann wirklich helfen. Das Thema Behinderung schwingt zwar mit, aber es geht eigentlich darum, Innovationskraft, Empathie und auch Digitalkompetenzen von Kindern zu fördern und so Teilhabemöglichkeiten für alle zu entwickeln.
Welche Meilensteine habt ihr mit Eurem Projekt bisher bei digital.engagiert erreicht?
Giulia (Junge Tüftler): Wir haben die ersten zwei Meilensteine erreicht: Unser Workshop-Konzept sowie die gemeinsame Arbeitsweise und die dazugehörigen Methoden stehen fest. Im Juli haben wir einen ersten Test-Hackathon erfolgreich durchgeführt. Jetzt arbeiten wir an der Iteration der Arbeitsmaterialien mit weiteren Test-Workshops in zwei Berliner Schulen, um unser Konzept zu finalisieren. Außerdem haben wir in den vergangenen Monaten ein gutes Netzwerk aufgebaut und viel positives und konstruktives Feedback bei der Vorstellung unserer Hacky Days beim N3xtcoder Meetup am 6. August sammeln können. Natürlich sind wir aber immer auf der Suche nach Schulen und Interessierten, mit denen wir in Zukunft zusammenarbeiten können.
Welches Projektziel habt ihr vor Augen?
Julia (Junge Tüftler): Unser Ziel ist, dass unsere Hackathons skalierbar werden. Das heißt, dass die Workshops auch ohne unsere Anwesenheit stattfinden können. Das geht nur, wenn Lehrerinnen und Lehrer gutes Material haben, das sie befähigt, die Workshops eigenständig umzusetzen. Wir möchten eine Plattform entwickeln, auf der unsere Methoden und Materialien als E-Learning-Formate allen zur Verfügung stehen. Mit einer Art „digitalem Werkzeugkoffer“ ausgestattet, können Schulen dann in ganz Deutschland die Hacky Days veranstalten.
In eurem Projekt sollen Kinder Ideen für eine bessere Inklusion entwickeln. Was können wir eurer Meinung nach von Kindern lernen?
Julia (Junge Tüftler): Die Unbefangenheit, mit der Kinder an Themen herangehen! Deshalb macht uns unsere Arbeit auch so viel Spaß. Kinder können und wollen lernen, das haben wir als Erwachsene oft verlernt. Und sie stellen sich gerne Herausforderungen – in ihnen steckt einfach so viel Motivation und Energie.
Jonas: Diese Motivation, die Julia beschreibt, kommt vor allem dadurch, dass Kinder ein hohes Gerechtigkeitsempfinden haben. Wenn sie sehen: „Hey, eine Stufe am Eingang schließt Menschen, vielleicht sogar Schulkameradinnen und -kameraden, aus und es gäbe doch Lösungen, da etwas dran zu ändern!“ Dann setzen sie sich auch dafür ein. Und Kinder und Jugendliche können sehr überzeugend sein.
Jonas, was wünschst Du Hacky Days?
Ich wünsche Ihnen, dass sie ein Produkt schaffen, das Lehrerinnen und Lehrern bei ihrer Arbeit unterstützt und sie selbst leicht ohne große Vorkenntnisse anwenden können. Und dass die Hackathons möglichst bundesweit stattfinden und irgendwann Bestandteil von Lehrplänen werden. Wenn das Potenzial erkannt wird, dann kann die Methode der altersgerechten Hackathons auch für die Produktinnovation in anderen Bereichen genutzt werden.