In meinen letzten 25 Jahren bei Amazon hatte ich Gelegenheit, zahlreiche E-Mails, Briefe und Keynotes für Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Partner:innen zu schreiben. Dieses Jahr habe ich nun zum ersten Mal die Ehre, als CEO von Amazon den jährlichen Brief an die Aktionär:innen an Sie zu richten. Jeff hat die Messlatte für diese Briefe sehr hochgelegt. Ich will versuchen, sie genauso lesenswert zu machen.

Als Anfang 2020 die Pandemie begann, konnten sich nur wenige Menschen vorstellen, dass sie so weitreichend oder so lange andauern würde, wie es der Fall wurde. Die Rolle, die Amazon bis zu diesem Zeitpunkt in der Welt gespielt hatte, wurde durch die Pandemie noch wichtiger. Denn für eine lange Zeit waren die meisten Geschäfte und Läden geschlossen und die Menschen mussten zu Hause bleiben. Hunderte Millionen Menschen verließen sich auf Amazon, um persönliche Schutzausrüstung, Lebensmittel, Kleidung und viele andere Artikel zu kaufen, die ihnen dabei halfen, diese beispiellose Zeit zu überstehen. Auch Unternehmen und Regierungen mussten praktisch über Nacht von der Arbeit mit Kolleg:innen und Technologie vor Ort auf die Arbeit im Home Office umstellen. AWS spielte eine wichtige Rolle dabei, diese Geschäftskontinuität überhaupt möglich zu machen. Egal, ob Unternehmen mit außergewöhnlich hoher Nachfrage kämpften oder wo, im Gegenteil die Nachfrage angesichts geringeren externen Verbrauchs rapide abnahm: die Elastizität der Cloud und die ungewöhnlich vielseitige Funktionalität von AWS unterstützten Millionen von Unternehmen dabei, ihre Kapazitäten rasch nach oben und unten zu skalieren und sich an die schwierigen Umstände anzupassen.

Unsere Geschäftsbereiche AWS und Consumer verzeichneten während der Pandemie ganz unterschiedliche Nachfragekurven. Im ersten Jahr der Pandemie legten die AWS Einnahmen weiterhin rasant zu – 30 % im Jahresvergleich („YoY“) im Jahr 2020 auf Basis eines Jahresumsatzes von 35 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 –, waren aber langsamer als das Wachstum von 37 % YoY im Jahr 2019. Das war teilweise auf die unsichere Gesamtsituation und die zurückgehende Nachfrage zurückzuführen, mit der sich so viele Unternehmen konfrontiert sahen. Teilweise lag das aber auch daran, dass wir vielen Unternehmen dabei halfen, ihre AWS Nutzung zu optimieren, um dadurch Geld zu sparen. Gleichzeitig nahmen auch viele Unternehmen die Gelegenheit wahr und überlegten, was sie nach der Pandemie geändert haben wollten. Dabei kamen viele von ihnen zu dem Schluss, ihre Technologieinfrastruktur nicht weiter selbst zu verwalten und entschieden stattdessen, ihren Wechsel in die Cloud anzuschieben. Diese Umorientierung so vieler Unternehmen (bei gleichzeitiger Erholung der Wirtschaft) trug dazu bei, das Umsatzwachstum von AWS im Jahr 2021 wieder auf 37 % YoY zu beschleunigen.

Umgekehrt verzeichneten wir im Jahr 2020 ein dramatisches Wachstum unserer Umsätze im Bereich Consumer. Im Jahr 2020 wuchsen die Umsätze von Amazon in Nordamerika und international im Vergleich zum Vorjahr um 39 %, verglichen mit der sehr großen Umsatzbasis von 2019 in Höhe von 245 Milliarden US-Dollar. Dieses außergewöhnliche Wachstum erstreckte sich bis ins Jahr 2021, wobei die Einnahmen im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahr um 43 % stiegen. Das sind erstaunliche Zahlen. Wir haben damit das Äquivalent des prognostizierten Wachstums von drei Jahren innerhalb von nur etwa 15 Monaten erreicht.

Mit der weltweiten Lockerung der Restriktionen ab Ende des zweiten Quartals 2021 und der Rückkehr vieler Menschen in Restaurants und Geschäfte sowie dem wieder zunehmenden Tourismus verteilten sich die Ausgaben der Verbraucher:innen wieder auf eine größere Zahl von Unternehmen. Wir wussten nicht, was uns im Jahr 2021 erwarten würde, aber es war ermutigend, dass wir weiterhin mit einer zweistelligen Rate wachsen konnten (mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 29 % im Bereich Consumer, gemessen über die vergangenen zwei Jahre). Die Kund:innen schätzten die Rolle, die Amazon für sie im Laufe der Pandemie gespielt hat, und sie begannen, Amazon für einen größeren Teil ihrer alltäglichen Einkäufe zu nutzen.

Dieses Wachstum führte zu kurzfristigen Herausforderungen für Logistik und Kosten. In den ersten 25 Jahren von Amazon haben wir ein weitreichendes Logistiknetzwerk aufgebaut. In den vergangenen 24 Monaten mussten wir dieses verdoppeln, um der Nachfrage von Kund:innen nachkommen zu können. Zum Zeitpunkt der Bereitstellung dieser neuen Kapazitäten verschärfte sich der Arbeitsmarkt erheblich. Das brachte neue Herausforderungen, sowohl bei der Entgegennahme des ganzen Sortiments, den unsere Lieferanten und Verkaufspartner uns bereitstellen wollten, als auch bei der Produkteinlagerung so nah an Kund:innen, wie wir es gewohnt sind. Zusammen mit den verknappten und verteuerten See-, Luft- und Lkw-Frachtkapazitäten verursachte dies zusätzliche Transport- und Produktivitätskosten. Lieferketten gerieten in einer Art und Weise unter Druck, wie wir es nie zuvor gesehen hatten. Wir hatten gehofft, dass die schlimmsten Auswirkungen von COVID-19 gegen Ende des Jahres 2021 nachlassen würden. Doch dann tauchte im Dezember Omikron auf – mit weltweiten Folgen für die Arbeitsfähigkeit der Menschen. Schließlich wurden mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Ende Februar 2022 die Treibstoffkosten und Inflation zu größeren Herausforderungen.

Sie sehen, 2021 war ein extremes und unvorhersehbares Jahr, die Fortsetzung des Trends aus dem Jahr 2020. Dennoch bin ich stolz auf das fantastische Engagement und den Einsatz unserer Mitarbeiter:innen auf der ganzen Welt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir ohne die außergewöhnliche Arbeitsmoral und Anstrengungen, die unsere Teams in dieser Zeit gezeigt haben, genauso gut durch die Pandemie gekommen wären. Ich bin jedenfalls zutiefst dankbar.

Es ist normalerweise von keinem Unternehmen – egal welcher Größe – zu erwarten, auf etwas so Unstetes und Unvorhersehbares wie diese Pandemie vorbereitet zu sein. Was hat uns dies bei Amazon ermöglicht? Der Grund dafür ist, dass wir nicht bei Null gestartet sind. Wir haben unsere Services seit fast zwei Jahrzehnten immer wieder überdacht und überarbeitet. In allen unseren Geschäftsbereichen befassen wir uns kontinuierlich mit Weiterentwicklungen und Innovationen. Wir sind grundsätzlich unzufrieden mit den Kund:innenerfahrungen, egal, ob wir sie selbst machen oder nicht. Denn wir glauben, dass es beim Kund:innenerlebnis immer noch Luft nach oben gibt, und wir bemühen uns jeden Tag, das Leben unserer Kund:innen besser und einfacher zu machen. Das Schöne an dieser Mission ist, dass das Spielfeld immer wieder neu bespielt wird; Kund:innen wünschen kontinuierliche Verbesserungen. Unsere Aufgabe ist es, nicht nur auf ihr Feedback zu hören, sondern zu ihren Gunsten mögliche Verbesserungen zu identifizieren und diese umzusetzen.

Viele mögen denken, dass die bahnbrechendsten Innovationen einfach so in einem Kopf entstehen – dem Erfinder geht ein Licht auf, ein Team setzt die Idee um und schwupps: schon gibt es eine neue Erfindung, die der nächste durchschlagende Erfolg ist. Das kommt aber nur selten vor, wenn überhaupt. Was viele Leute über so innovative Unternehmen wie Amazon nicht wissen, ist, dass wir unermüdlich diskutieren, immer wieder neu definieren, basteln, verwerfen und experimentieren, um den Funken einer großen Idee zu etwas zu machen, das bei den Kund:innen Anklang findet und ihr Kund:innenerlebnis auf lange Sicht einschneidend verändert.

Lassen Sie mich Ihnen einige Beispiele von Amazon geben.

Logistiknetzwerk: Kommen wir noch einmal auf die Pandemie zurück. Es wäre unmöglich gewesen, im März 2020 mit der Arbeit an unserem Logistiknetzwerk zu beginnen und zeitnah auch nur annähernd den Bedürfnissen unserer Kund:innen gerecht werden zu wollen. Wir haben unser Logistiknetzwerk seit 20 Jahren ständig weiterentwickelt und kontinuierlich an der Verkürzung der Lieferzeiten gearbeitet. In den frühen 2000er Jahren brauchten wir noch durchschnittlich 18 Stunden, um einen Artikel durch unsere Logistikzentren und für den Versand auf den richtigen Lkw zu schleusen. Heute sind es zwei Stunden. Um unseren Anspruch auf zuverlässige und kostengünstige Lieferung wahrzumachen und die Erwartungen unserer Amazon Prime Mitglieder an Lieferungen innerhalb von zwei Tagen erfüllen zu können, haben wir über Jahre hinweg zahlreiche Logistikzentren und umfangreiche Logistik- und Transportkapazitäten aufgebaut und alle Prozesse in unseren Einrichtungen von Grund auf neu entwickelt. Zum Vergleich: Im Jahr 2004 verfügten wir über sieben Logistikzentren in den USA und vier in anderen Teilen der Welt. Es gab noch keine Verteilzentren, die unsere Logistik- und Sortierzentren mit den Lieferfahrzeugen auf der letzten Meile – die bei Ihnen in der Nachbarschaft die Pakete ausliefern – verbunden haben. Spulen wir nach vorn, auf Ende 2021: Wir haben nun 253 Logistikzentren, 110 Sortierzentren und 467 Zustellstationen in Nordamerika sowie weitere 157 Logistikzentren, 58 Sortierzentren und 588 Verteilzentren auf der ganzen Welt. Unser Liefernetzwerk ist auf weltweit mehr als 260.000 Fahrer:innen angewachsen, und unsere Frachtflotte von Amazon Air umfasst mehr als 100 Flugzeuge. Dies war nur möglich dank Kapitalinvestitionen von über 100 Milliarden US-Dollar, unzähliger Neustrukturierungen und der Prozessverbesserungen durch über eine Million AmazonMitarbeiter:innen in den letzten anderthalb Jahrzehnten.

Ironischerweise hatten wir uns schon kurz vor dem Beginn der Pandemie für die Investition mehrerer Milliarden US-Dollar entschieden, um die Same-Day-Zustellung der ständig wachsenden Zahl von Prime-Lieferungen möglich zu machen. Dieses Projekt hat sich durch die Herausforderungen der Pandemie verlangsamt, aber wir konzentrieren uns immer noch und immer wieder darauf. Die Zustellung einer riesigen Menge von Paketen innerhalb eines Tages ist nicht nur eine große Herausforderung (insbesondere angesichts der Millionen von Artikeln in unserem Sortiment), sondern auch in der Anfangszeit teuer, da wir unsere Infrastruktur erweitern müssen, um effizient zu skalieren. Aber wir sind überzeugt, dass unsere über 200 Millionen Prime Kund:innen – die uns ganz deutlich zu verstehen geben, dass „schneller“ fast immer „besser“ ist – davon begeistert sein werden. Unsere Fähigkeit, Millionen von Artikel innerhalb weniger Tage (und zunehmend auch innerhalb nur eines Tages) zu versenden, entsprang also nicht einem isolierten Aha-Erlebnis oder wurde in ein, zwei Jahren hochgezogen. Sie ging aus harter Arbeit hervor, bei der wir uns in die Lage unserer Kund:innen versetzt und herausgefunden haben, was sie wünschen. Unsere Mitarbeiter:innen arbeiten zusammen, um bessere Lösungen zu entwickeln. Und wir haben im Lauf von 20 Jahren sowohl finanziell als auch personell umfangreich investiert (und das oft lange, bevor mit einem Profit aus der Investition zu rechnen war). Diese Art der iterativen Innovation ist nie zu Ende und erlebt in Investitionsjahren immer wiederkehrende Hoch-Zeiten. Aber sie macht auch bessere langfristige Kund:innenerlebnisse, stärkere Kund:innenbindung und höhere Rendite für unsere Aktionär:innen möglich.

AWS: Als wir AWS entwarfen und die Services entwickelten, von denen wir glaubten, dass unsere Kund:innen sie sinnvoll fänden, stießen wir immer wieder auf eine der spannendsten Herausforderungen in der Produktentwicklung: Wo setzen wir die Grenzen der Funktionalität in V1? Ich erinnere mich insbesondere an eines der ersten Meetings für unseren Core-Computing-Service namens Elastic Compute Cloud („EC2“). Das Meeting war für eine Stunde angesetzt, dauerte aber drei Stunden, da wir lebhaft darüber diskutierten, ob wir überhaupt einen Compute Service ohne eine eingebaute Persistent-Block-Storage-Komponente (eine Form von Network Attached Storage) launchen konnten. Alle waren sich einig, dass ein dauerhafter Blockspeicher für einen vollständigen Rechendienst wichtig ist; die Entwicklung würde jedoch ein weiteres Jahr dauern. Die Frage war, ob wir unseren Kunden einen nützlichen Service mit sinnvollem Mehrwert anbieten könnten und sollten, bevor wir alle für Kunden wichtigen Funktionen eingebaut hatten. Wir entschieden schließlich, dass wir auch eine funktionsarme Ersteinführung von EC2 riskieren könnten, wenn wir so aufgestellt wären, dass wir Kunden-Feedback abfragen und umsetzen würden. So ein Ansatz funktioniert gut, wenn Sie tatsächlich schnell reagieren können, oder er hat katastrophale Auswirkungen, wenn Sie Feedback nicht umsetzen können. EC2 wurde 2006 gelauncht, mit einer Instanzgröße, in einem Rechenzentrum, in einer Region, nur mit Linux-Betriebssysteminstanzen (kein Windows), ohne Monitoring, Load-Balancing, automatischer Skalierung oder, ja, persistentem Speicher. EC2 war ein anfänglicher Erfolg, aber bei weitem nicht der Multi-Milliarden-Dollar-Service, zu dem es erst wurde, als wir die oben aufgeführten fehlenden Funktionen – und noch einige mehr – eingebaut haben.

In der Anfangsphase von AWS wurden wir manchmal gefragt, warum Rechendienste nicht einfach eine undifferenzierte Ware sein könnten. Aber es gibt viel mehr zu berechnen als nur einen Server. Kunden wollen verschiedene Arten von Rechenleistung (z. B. Serverkonfigurationen, die für Speicherung, Arbeitsspeicher, Hochleistungsberechnung, Grafikwiedergabe, maschinelles Lernen optimiert sind), verschiedene Formfaktoren (z.B. feste Instanzgrößen, Portable Containers, serverlose Funktionen), verschiedene Größen und Optimierungen für persistente Datenspeicher sowie jede Menge Netzwerkfunktionen. Dann ist da noch der CPU-Chip, der in Ihrem Computer läuft. Viele Jahre lang hatte die Industrie Intel- oder AMD-x86-Prozessoren eingesetzt. Wir haben enge Partnerschaften mit diesen Unternehmen, erkannten aber, dass wir auch unsere eigenen Chips entwickeln müssten, wenn wir Preis und Leistung weiter verbessern wollten (wie von Kunden gefordert). Unser erster Chip war Graviton, den wir 2018 ankündigten. Durch ihn konnte ein Teil der Kunden-Workloads kostengünstiger ausgeführt werden als über frühere Optionen. Aber erst nachdem wir die Erkenntnisse von Graviton genutzt und einen neuen Chip entwickelt hatten, erwies sich 2020 unser Graviton2-Chip als etwas Besonderes. Er bietet ein bis zu 40 % besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als die vergleichbaren x86-Prozessoren der neuesten Generation. Man stelle sich vor, wie sich diese 40 % auf die Verbesserung der Rechenleistung auswirken. Compute wird für jedes Bit der Technologie verwendet. Für die Kund: en ist das eine Riesensache. Und obwohl Graviton2 bisher ein beachtlicher Erfolg war (48 der Top 50 AWS EC2-Kunden haben ihn bereits übernommen), hat das AWS-Chips-Team bereits aus dem Kunden-Feedback seine Lehren gezogen und im vergangenen Dezember Graviton3 angekündigt (weitere 25 % bessere Leistung zusätzlich zu den Verbesserungen durch Graviton2). Die Liste unserer Erfindungen und Innovationen für unsere Kunden bei EC2 (und AWS im Allgemeinen) ist ziemlich lang. Von unserem iterativen Ansatz bei der Innovation profitieren die Kunden nicht nur dank mehr Funktionalität bei AWS als anderswo (ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal), sondern dieser Ansatz erlaubte uns auch, das bahnbrechende Angebot aufzustellen, das AWS heute ist.

Geräte: Unser erster Versuch mit Geräten war der Kindle, der 2007 rauskam. Das Design war nicht das raffinierteste (der Kindle war cremeweiß und die Ecken lagen für manche Nutzer:innen unbequem in der Hand). Aber das Gerät war revolutionär, weil es den Kund:innen die Möglichkeit gab, eines von über 90.000 Büchern (inzwischen sind es Millionen) in 60 Sekunden herunterzuladen – und wir wurden immer besser und schneller darin, attraktive Designs zu entwerfen. Nicht viel später brachten wir ein Tablet und dann ein Handy raus (das als einziges eine nach vorne gerichtete Kamera bot, ein Gyroskop für dynamische Abbildung und interessante 3D-Experiences). Das Handy war kein Hit. Uns war klar, dass wir wahrscheinlich mit unserer Handy-Entwicklung zu spät gekommen waren, aber wir lenkten diese Ressourcen um, stellten einige fantastische Vordenker:innen und Entwickler:innen ein und haben wertvolle Lektionen aus diesem Misserfolg gelernt, die uns später bei Geräten wie Echo und FireTV gute Dienste geleistet haben.

Wenn ich an das erste Echo-Gerät denke und daran, was Alexa damals für die Kund:innen tun konnte, dann war das zwar bemerkenswert – und doch so viel weniger als das, was heute möglich ist. Heute gibt es Hunderte von Millionen Alexa-fähiger Geräte (Amazon Echo-Geräte und Geräte von Drittanbietern) in Wohnungen, Büros, Autos, Hotelzimmern; man hört Musik oder schaut Videos; steuert das Smart Home oder erstellt z.B. „Guten-Morgen-Routinen“, bei der Alexa das Wetter und die voraussichtliche Fahrtzeit zur Arbeit auf Grundlage des aktuellen Verkehrs anzeigt. Alexa spielt Nachrichten, bestellt bei Amazon, berichtet über Sportereignisse und liefert dazugehörige Statistiken. Und wir stehen noch ziemlich am Anfang, was Alexa und Alexa-fähige Geräte für die Kund:innen alles tun werden. Unser Ziel ist, dass Alexa die hilfreichste und smarteste persönliche Sprachassistenz der Welt wird, eine Hilfe, die das Leben der Menschen deutlich einfacher und besser macht. Wir haben noch viel zu erfinden und zu verbessern, aber unsere Kund:innen zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben verschiedene andere Geräte in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, z. B. Ring und Blink, die führenden digitalen Sicherheitslösungen für das Zuhause, oder Astro, ein brandneuer Haushaltsroboter, den wir Ende 2021 rausgebracht haben. Man kann sagen, dass jedes einzelne unserer Geräte und Services – egal ob Kindle, FireTV, Alexa/Echo, Ring, Blink oder Astro – eine Erfindung ist, die sich noch immer in Entwicklung befindet und weitere Lösungen hervorbringen wird, die das Leben unserer Kund:innen verbessern.

Prime Video: 2006 brachten wir ein Angebot namens Amazon Unbox heraus, über das unsere Kund:innen rund 1.000 Filme der großen Filmstudios herunterladen konnten. Das war damals sinnvoll, da die Bandbreite langsamer war (ein Video-Download dauerte damals eine Stunde). Mit den besseren Bandbreiten im Festnetz und mobil und gleichzeitigem Aufkommen von Connected TV erwies sich Streaming als bessere Lösung für die Kund:innen, und wir lenkten unsere Bemühungen darauf um. 2011 begannen wir mit über 5.000 Streaming-Filmen und -Shows als Teil der Amazon Prime Abonnements für unsere Kund:innen. Ursprünglich waren alle unsere Inhalte von externen Studios und Unterhaltungsunternehmen produziert. Diese Angebote waren teuer, länderspezifisch und für uns nur für einen begrenzten Zeitraum verfügbar. Um unser Angebot zu erweitern, begannen wir, unsere eigenen Inhalte zu produzieren. Dazu gehörten anfangs kurzlebige Serien wie „Alpha House“ und „Betas“, bevor wir mit „Transparent“ unsere erste preisgekrönte Serie hatten und schließlich mehrjährige Franchises wie „The Marvelous Mrs. Maisel“, „The Boys“, „Bosch“ und „Jack Ryan“ schufen. Dabei haben wir viel über das Produzieren von fesselnder TV-Unterhaltung mit unvergesslichen Momenten gelernt und wie man maschinelles Lernen und andere innovative Technologien einsetzen kann, um ein erstklassiges Streaming-Erlebnis anzubieten (inklusive nützlichen, relevanten Informationen über Schauspieler, TV-Shows, Filme, Musik oder Sportstatistiken, die dank unserer einzigartigen X-Ray-Funktion nur einen Klick entfernt sind). Manches davon haben Sie vielleicht schon in unserer jüngsten Erfolgsserie „Reacher“ gesehen, und mehr sehen Sie hoffentlich bei unserer in Kürze startenden Verfilmung von „Herr der Ringe“ (5. September 2022). Außerdem können Sie sich auf den Einsatz der innovativen Technologie bei „Thursday Night Football“ freuen, die erste wochenaktuelle NFL-Sendung zur Hauptsendezeit, die ausschließlich via Streaming ab September 2022 exklusiv auf Prime Video ausgestrahlt wird. Unser Vertrag mit der NFL läuft die nächsten 11 Jahre, und wir haben uns vorgenommen, in den nächsten Jahren unermüdlich daran zu arbeiten, das NFL-Fernseherlebnis für Footballfans neu zu erfinden.

Unsere Erfolgsbilanz in Sachen Innovation ist nicht nur der Grund, warum sich immer mehr Sportunternehmen für eine Zusammenarbeit mit Prime Video entscheiden, sondern erklärt auch, warum so viele große Unterhaltungsunternehmen Partner von Prime Video Channels geworden sind. Channels ist ein Programm, das es Unterhaltungsunternehmen ermöglicht, die einzigartige Technologie und das Fernseherlebnis von Prime Video zu nutzen und auf die riesige Mitgliederbasis zuzugreifen, um Monatsabos für ihre Inhalte anzubieten. Unternehmen wie Warner Bros. Discovery, Paramount, Starz, Corus Entertainment und Globo haben selbst erlebt, dass sie über Channels ihre Abonnent:innenzahl anschieben und ein besseres Kund:innenerlebnis bereitstellen können. Obwohl sich seit den Anfängen bei Prime Video so viel geändert hat, haben wir uns für die nächsten 15 Jahre noch mehr Neuerungen vorgenommen als in den letzten 15 – und unser Team setzt sich leidenschaftlich dafür ein, unseren Kund:innen die weltweit umfassendste Sammlung überzeugender Inhalte zu bieten.

Dieselbe Art von iterativer Innovation kommt auch für Neuerungen zur Unterstützung von Menschen und Gemeinschaften zum Tragen. Vergangenen Sommer haben wir zwei neue Führungsprinzipien eingeführt: „Wir wollen der beste Arbeitgeber der Welt werden“ und „Erfolg und Größe kommen mit Verantwortung“. Diese Konzepte waren bei Amazon schon immer implizit, aber explizite Führungsprinzipien helfen uns, uns selbst – und mehr Amazonians auf allen Ebenen – zu der Frage anzuhalten, ob wir diesen Prinzipien auch tatsächlich gerecht werden.

So arbeiten mehr als eine Million Amazonians in unserem Logistiknetzwerk. Im Jahr 2018 haben wir uns für den Mindestlohn in den USA von 15 US-Dollar (das ist mehr als das Doppelte des US-Mindestlohns) eingesetzt. Das war aber noch nicht alles. Wir haben die Vergütung weiter erhöht, so dass unser durchschnittlicher Einstiegslohn pro Stunde in den USA derzeit über 18 US-Dollar liegt. Neben dieser Vergütung bieten wir sehr solide Zusatzleistungen, darunter eine vollständige Krankenversicherung, eine betriebliche Altersvorsorge, bis zu 20 Wochen Elternzeit und volle Übernahme von Studiengebühren für Mitarbeiter:innen, die eine Uni-Ausbildung anstreben (unabhängig davon, ob sie bei uns bleiben oder nicht). Wir haben noch viele andere Ideen, wie wir das Leben unserer Mitarbeiter:innen verbessern können. Wir haben genau nachgefragt und eine Liste mit den unserer Meinung nach 100 wichtigsten Wünschen im Bereich Arbeitserlebnis erstellt. Diese Liste arbeiten wir systematisch ab. Uns ist es extrem wichtig, die Sicherheit in unserem Logistiknetzwerk weiter zu verbessern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Reduzierung von Zerrungen, Verstauchungen und Stürzen sowie Beschwerden durch wiederholte Belastung. Unsere Unfallraten werden manchmal missverstanden. Bei uns gibt es betriebliche Tätigkeiten, die sowohl in die Kategorien „Warenlagerung“ als auch „Kurier und Lieferung“ passen. Bei der Veröffentlichung der aktuellen US-Zahlen lagen unsere meldepflichtigen Unfallraten im Vergleich mit anderen Branchenunternehmen etwas höher als der Durchschnitt im Lagerbereich (6,4 gegenüber 5,5) und etwas niedriger als der Durchschnitt im Kurier- und Lieferbereich (7,6 gegenüber 9,1). Damit liegen wir im Vergleich zu unseren Mitbewerbern im Durchschnitt. Wir wollen aber nicht durchschnittlich sein. Wir wollen Klassenbester sein. Als ich meine neue Stelle antrat, verbrachte ich anfangs viel Zeit mit unserem Sicherheitsteam in unseren Logistikzentren. Meine Hoffnung war, dass wir eine Wunderwaffe entwickeln könnten, die die Zahlen schnell mindern würde. Leider habe ich sie nicht gefunden. Unternehmen in unserer Größenordnung brauchen gründliche Analysen (wir haben allein im Jahr 2021 über 300.000 Mitarbeiter:innen eingestellt, von denen viele neu in den Bereich eingestiegen waren und eine Schulung benötigten), durchdachte Lösungen und die entsprechende Entwicklungsbereitschaft, um ans Ziel zu kommen. Wir haben jeden Prozesspfad analysiert, um Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Wir haben eine Vielzahl von Programmen eingeführt (z.B. Rotationsprogramme, damit Mitarbeiter:innen nicht zu viel Zeit mit denselben, sich wiederholenden Bewegungen verbringen; Ausrüstung, die die Mitarbeiter:innen warnt, wenn sie sich falsch bewegen, bessere Schuhe mit Zehenschutz, Trainingsprogramme zu Körpermechanik, Wellness und Sicherheitspraktiken). Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, den wir wie unsere Kund:innenerlebnisse angehen werden – weiter lernen, weiter erfinden und iterieren, bis wir transformative Ergebnisse verzeichnen. Erst dann können wir zufrieden sein.

Als Unternehmen unserer Größenordnung haben wir auch einen beträchtlichen CO2-Fußabdruck. Das ist einer der Gründe, warum wir vor einigen Jahren den Climate Pledge ins Leben gerufen haben (eine Selbstverpflichtung, bis 2040 CO2-neutral – net-zero carbon – zu sein, also zehn Jahre vor dem Pariser Klimaabkommen). Wir machen bei diesen Bemühungen erhebliche Fortschritte (Wir haben zugesagt, unseren Betrieb bis 2025 zu 100 % mit erneuerbaren Energien zu versorgen – das ist fünf Jahre vor unserem ursprünglichen Ziel von 2030; wir haben über 100.000 elektrische Fahrzeuge zur Auslieferung von Paketen bestellt, und mehr als 300 Unternehmen haben sich uns dem Climate Pledge angeschlossen). Angesichts der Vielfalt und Intensität unseres Geschäfts (darunter der Versand von Milliarden von Paketen pro Jahr) stehen wir jedoch vor einer anderen Herausforderung als die meisten Unternehmen. Wir stellen uns dieser Herausforderung, aber sie erfordert unermüdliche Weiterentwicklung.

Wir arbeiten daran, das Angebot an bezahlbarem Wohnraum an den Standorten zu erhöhen, in denen wir stark vertreten sind. Unser vor einem Jahr eingerichteter Housing Equity Fund in Höhe von mehr als 2 Milliarden US-Dollar hat bereits 1,2 Milliarden US-Dollar für bezahlbare Wohninitiativen in den Gebieten um die Region Puget Sound im US-Bundesstaat Washington sowie Arlington (Virginia) und Nashville (Tennessee) bereitgestellt.

Ein letztes Beispiel ist Kuiper, unser Satellitennetzwerk im erdnahen Orbit, für dessen Aufbau wir in den nächsten Jahren über zehn Milliarden US-Dollar ausgeben werden. Kuiper richtet sich an Kund:innen mit minimaler bis gar keiner Breitbandverbindung und eröffnet für viele Menschen so den Zugriff auf Informationen und Ressourcen (laut Analysten gehören zwischen 300 bis 400 Millionen Kund:innen weltweit zu dieser Kategorie). Wir sind optimistisch, dass dies auch für uns ein gutes Geschäftsmodell werden wird, aber das wird sich noch zeigen. Für unterversorgte Familien und Unternehmen ist dies ein Game Changer, der sich über viele Jahre entfalten wird, während wir die Möglichkeiten von Kuiper ausbauen.

Diese Art der iterativen Innovation ist in jedem Team bei Amazon allgegenwärtig. Vergleichbare Beispiele gibt es auch in den Bereichen Advertising, Lebensmittel, Gaming, Amazon Music, Amazon Care (unser Telemedizinangebot) oder Pharmacy, um nur einige wenige zu nennen. Diese Kapitel werden immer noch weitergeschrieben, während wir experimentieren, lernen und weiterhin versuchen, unser Kund:innenerlebnis jeden Tag zu verbessern.

Wenn Sie diesen Ansatz interessant finden, stellt sich natürlich die Frage, was unser Erfolgsgeheimnis ist. Leichter gesagt als getan, aber hier sind einige Prinzipien, die uns geholfen haben:

1/ Stellen Sie die richtigen „Builders“ ein: Bei der Besetzung von neuen Posten berücksichtigen wir überproportional viele Builders. Diese Erschaffer sind erfinderische Menschen, die strategisch immer beim Kund:innenerlebnis ansetzen; die analysieren, was nicht gut funktioniert und versuchen, das Kund:innenerlebnis neu zu erfinden. Wir wollen Leute, die immer wieder fragen: Warum kann man das nicht machen? Wir wollen Leute, die gerne experimentieren und ausprobieren und die erkennen, dass der Tag des Launches nur die Startlinie und nicht die Ziellinie ist.

2/ Lassen Sie die Builders in Teams arbeiten, die so autonom und fokussiert wie möglich funktionieren: Gleich in mehreren Bereichen genau zu wissen und tief zu durchdringen, was die Kund:innen wirklich interessiert, ist für Teams sehr schwierig. Dazu kommt die Schwierigkeit, genügend Zeit für neue Projekte aufzuwenden, wenn es mit den bereits etablierteren Initiativen zu Ressourcenkonflikten kommt. In diesem Wettbewerb gewinnen meistens die „sichereren Sachen“. Fokussierte Teams kennen die Bedürfnisse ihrer Kund:innen besser, verbringen ihre ganze Arbeitszeit intensiv damit, im Sinne der Kund:innen zu entwickeln, und stellen selber die Rahmenbedingungen her, um zügig iterieren zu können.

3/ Stellen Sie den Teams die richtigen Tools zur Verfügung und erlauben Sie ihnen, zügig zu arbeiten: Schnelligkeit ist nicht eingebaut, sondern eine Führungsentscheidung. Dabei müssen Sie Kompromisse eingehen, aber zügiges Arbeiten geht nicht aus dem Stand. Das erfordert die passenden Tools, damit rasch experimentiert und konstruiert werden kann (ein wesentlicher Grund, warum wir AWS entwickelt haben), die Freiheit für Teams, eigene „Two-Way-Door“-Entscheidungen zu treffen, und die ausdrückliche Erwartungshaltung, dass Schnelligkeit wichtig ist. Schnelligkeit ist für jedes Unternehmen in jeder Phase seiner Entwicklung unverhältnismäßig wichtig. Wer sich langsamer bewegt als seine Mitbewerber, wird über kurz oder lang überholt.

4/ Blindes Vertrauen, aber keine falschen Hoffnungen: „You need blind faith but no false hope“ ist ein Zitat aus einem meiner Lieblingssongs der Foo Fighters („Congregation“). Als Erfinder:in kommen Sie auf neue Ideen, die von der Zielgruppe abgelehnt werden, weil sie noch nie zuvor da gewesen sind (das ist der Punkt, an dem das blinde Vertrauen ins Spiel kommt). Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, einen Schritt zurückzutreten und sicherzustellen, dass Sie einen tragfähigen Plan haben, der bei den Kund:innen ankommen wird (keine falsche Hoffnungen). Wir haben das Glück, dass bei uns Erfinder:innen arbeiten, die sich gegenseitig herausfordern; dass wir Feedbackschleifen haben, die uns Zugang zur Kund:innenmeinung verschaffen, und einen Produktentwicklungsprozess, bei dem vom Kund:innen ausgehend gearbeitet wird. Wir beginnen jede Innovation mit einer fiktiven Pressemitteilung (die die Kund:innenvorteile konkretisiert) und FAQs (die detailliert beschreiben, was wir da entwickeln). Das hilft uns, blindes Vertrauen ohne falsche Hoffnungen zu haben (jedenfalls meistens).

5/ Definieren Sie ein „Minimum Loveable Product“ (MLP) und machen Sie sich bereit, schnell zu iterieren: Wann ein Produkt bereit für die Markteinführung ist, ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die ein Team je treffen muss. Oft warten Teams zu lange und bestehen auf zu viel Schnickschnack, bevor ein Produkt gelauncht wird. Damit verpassen sie den First-Mover-Vorteil oder die Gelegenheit, in schnelllebigen Marktsegmenten aufzuschließen, bevor die bereits gut laufenden Konkurrenzprodukte zu weit voraus sind. Sie müssen davon überzeugt sein, dass das Produkt gut genug ist, von Anfang an „geliebt“ zu werden (darum nennen wir es ein „Minimum Loveable Product“ statt des gängigen Ausdrucks „Minimum Viable Product“). In neueren Marktsegmenten sind die Teams aber oft besser beraten, dieses MLP erst raus zu bringen und danach schnell zu iterieren.

6/ Orientieren Sie sich auf lange Sicht: Wir werden bei Amazon manchmal dafür kritisiert, dass wir Dinge nicht schnell fallen lassen. Richtig, wir haben eine höhere Toleranzschwelle bei unseren Investitionen als die meisten anderen Unternehmen. Aber wir wissen, dass transformative Erfindungen mehrere Jahre Zeit brauchen. Und wenn Sie alles auf eine Karte setzen, von der Sie glauben, dass sie das Kund:innenerlebnis (und Ihr Unternehmen) entscheidend verändern kann, brauchen Sie einen langen Atem.

7/ Kalkulieren Sie das Scheitern ein: Wer viel entwickelt, scheitert öfter, als er möchte. Das gefällt niemandem, aber Scheitern ist Teil des Prozesses. Wenn uns klar ist, dass wir etwas gelauncht haben, das nicht funktionieren wird, stellen wir sicher, dass wir aus dem Scheitern lernen. Wir bieten dennoch Teammitgliedern, die gute Leistungen erbracht haben, neue Chancen – so bleiben Ihre besten Leute am Ball und steigen, ohne zu zögern in neue Initiativen ein.

Albert Einstein soll den Zinseszins als achtes Weltwunder bezeichnet haben („Wer ihn versteht, verdient daran, alle anderen bezahlen ihn.“). Wir sehen iterative Innovation ähnlich. Aus iterativer Innovation entsteht die Magie für Kund:innen. Das ständige Erfinden und Verbessern von Produkten für Kund:innen wirkt sich auf das Kund:innenerlebnis und damit auf die Aussichten eines Unternehmens aus.

Bei der Verzinsung der Gewinne ist die fortschreitende Zeit Ihr bester Freund. Amazon ist ein großes Unternehmen mit einigen großen Geschäftsbereichen, und trotzdem stehen wir immer noch am Anfang. Wir werden weiterhin rebellisch bleiben – mit neuen Innovationen in unseren bestehenden Geschäftsbereichen, in neuen Bereichen, die wir noch gründen müssen, und mit neuen Ideen, die uns noch nicht eingefallen sind. Es bleibt Tag 1.

Herzlichst,
Andy Jassy
Präsident und Chief Executive Officer
Amazon.com, Inc.

P.S. Wie immer folgt auch jetzt unser erster Brief and die Aktionär:innen von 1997. Was Sie dort lesen, ist heute noch genauso aktuell wie 1997.

 BRIEF AN DIE AKTIONÄRE 1997

(Nachdruck aus dem Jahresbericht 1997)

Sehr geehrte Anteilseigner:in,

Amazon.com hat im Jahr 1997 viele Meilensteine erreicht: bis Ende des Jahres haben wir mehr als 1,5 Millionen Kund:innen bedient, daraus 838 % Umsatzwachstum erwirtschaftet, was einen Umsatz von 147.800.000 US-Dollar ergibt, und unsere Marktführerschaft trotz aggressiven Wettbewerbseinstiegs unserer Konkurrenten ausgebaut hat.

Aber wir befinden uns an Tag 1 für das Internet, und wenn wir erfolgreich arbeiten, auch für Amazon.com. Heutzutage spart der Online-Handel den Kund:innen Geld und wertvolle Zeit. Morgen wird der Online-Handel dank Personalisierung den Prozess der Entdeckung beschleunigen. Amazon.com nutzt das Internet, um einen echten Mehrwert für seine Kund:innen zu schaffen und hofft, dadurch auch in etablierten und großen Märkten ein dauerhaftes Geschäftsgebiet zu erschließen.

Während die größeren Player in unserem Bereich ihre Ressourcen bündeln müssen und die Kund:innen, die den Online-Kauf gerade erst entdecken, offen für neue Geschäftsbeziehungen sind, haben wir jetzt die Gelegenheit, die Möglichkeiten des Online-Handels weiterzuverfolgen. Die Wettbewerbslandschaft hat sich rasant weiterentwickelt. Viele Big Players sind mit interessanten Angeboten online gegangen und haben erhebliche Energie und Ressourcen dem Aufbau von Bewusstsein, Handel und Vertrieb gewidmet. Unser Ziel ist es, uns schnell zu konsolidieren und unsere aktuelle Position zu verbessern, während wir die Online-Handelsmöglichkeiten in anderen Bereichen zu verfolgen beginnen. Wir sehen erhebliche Chancen in den großen Märkten, in die wir eintreten möchten. Diese Strategie ist nicht ohne Risiko: Sie erfordert ernsthafte Investitionen und kompromisslose Umsetzung im Wettbewerb mit den etablierten Leadern im Geschäftsfeld.

Es geht um Langzeitstrategien

Wir sind der Auffassung, dass das grundlegende Maß für unseren Erfolg der Shareholder Value ist, den wir langfristig schaffen werden. Dieser Wert wird ein direktes Ergebnis unserer Fähigkeit sein, unsere aktuelle Marktführungsposition zu erweitern und zu festigen. Je stärker unsere Marktführerschaft, desto stärker unser Wirtschaftsmodell. Marktführerschaft kann sich direkt in höheren Einnahmen, höherer Profitabilität, höherem Kapital niederschlagen und entsprechend in stärkeren Renditen auf das investierte Kapital.

Unsere Entscheidungen haben immer wieder diesen Fokus reflektiert. Wir messen uns zuerst in Bezug auf die Metriken, die am bezeichnendsten für unsere Marktführerschaft sind: Kund:innen- und Umsatzwachstum, das Ausmaß, in dem unsere Kund:innen auf wiederholter Basis bei uns kaufen, und die Stärke unserer Marke. Wir haben investiert und werden auch weiterhin aggressiv investieren, um unsere Kund:innenbasis, Marke und Infrastruktur zu erweitern und zu nutzen, während wir gleichzeitig daran arbeiten, unser Modell dauerhaft zu etablieren.

Weil wir uns auf Langzeitplanung konzentrieren, treffen wir unsere Entscheidungen und wägen wir unsere Kompromisse anders ab als andere Unternehmen. Dementsprechend möchten wir Ihnen unsere grundlegenden Management- und Entscheidungsfindungsprinzipien vorstellen, so dass Sie, unsere Aktionär:innen, bestätigen können, dass diese mit Ihrer Anlagephilosophie in Einklang stehen:

  • Wir werden uns auch weiterhin ohne Ablenkung auf unsere Kund:innen konzentrieren.

  • Wir werden auch weiterhin Investitionsentscheidungen im Hinblick auf langfristige Marktführerschaft statt auf kurzfristige Rentabilität oder kurzfristige Wall Street-Reaktionen treffen.

  • Wir werden auch weiterhin unsere Programme und die Wirksamkeit unserer Investitionen analytisch messen, dabei jene über Bord werfen, die keine akzeptablen Renditen bieten und unsere Investitionen in solche Projekte intensivieren, die am besten funktionieren. Wir werden auch weiterhin sowohl aus unseren Erfolgen als auch aus unseren Fehlern lernen.

  • Wir werden dort mutige und nicht ängstliche Investitionsentscheidungen treffen, wo wir gute Chancen für marktführerschaftliche Vorteile identifizieren. Einige dieser Investitionen werden sich auszahlen, andere nicht. In jedem Fall werden wir dabei eine weitere wertvolle Lektion gelernt haben.

  • Wenn wir gezwungen sind, zwischen der Optimierung unseres GAAPs auf Papier und der Maximierung des Barwerts künftiger Cashflows zu wählen, entscheiden wir uns für den Cashflow.

  • Wir werden unsere strategischen Denkprozesse mit Ihnen teilen, wenn wir außergewöhnliche Entscheidungen treffen (soweit das der Wettbewerbsdruck erlaubt), so dass Sie für sich selbst beurteilen können, ob wir in der Lage sind, vernünftige langfristige Investitionen zu tätigen.

  • Wir werden intensiv daran arbeiten, Ausgaben mit Bedacht zu machen und unsere Kultur der Sparsamkeit zu pflegen. Uns ist klar, wie wichtig es ist, eine kostenbewusste Firmenkultur kontinuierlich zu fördern, vor allem bei einem Unternehmen mit anfallenden Nettoverlusten.

  • Wir werden uns auf Wachstum konzentrieren und den Schwerpunkt auf langfristige Profitabilität und Kapitalmanagement legen. In der gegenwärtigen Phase priorisieren wir das Wachstum, weil wir glauben, dass die Firmengröße von zentraler Bedeutung ist, um das Potenzial unseres Geschäftsmodells auszureizen.

  • Wir werden uns auch weiterhin auf die Einstellung und Retention vielseitiger und talentierter Mitarbeiter:innen konzentrieren und bei der Vergütung das Hauptgewicht auf Aktienoptionen legen statt auf Barauszahlung. Wir wissen, dass unser Erfolg weitgehend von unserer Fähigkeit abhängt, eine motivierte Belegschaft zu gewinnen und zu halten, von denen jeder einzelne wie ein/e Anteilseigner:in denken und auch so handeln muss.

  • Wir möchten nicht behaupten, dass dies die einzig "richtige" Anlagephilosophie ist, aber sie ist die unsere, und es wäre nachlässig von uns, wenn wir unseren gewählten Ansatz nicht klar benennen und weiterhin anwenden würden.

  • Nach diesen grundsätzlichen Ausführungen kommen wir zu einem Blick auf unseren geschäftlichen Fokus, unsere Fortschritte im Jahr 1997, und unsere Erwartungen für die Zukunft.

Kund:innenzentriertheit

Wir haben uns von Anfang an darauf konzentriert, unseren Kund:innen einen überzeugenden Wert zu bieten. Wir wussten, dass das Web eigentlich ein “World Wide Wait” war und immer noch ist. Deshalb wollten wir den Kund:innen etwas anbieten, das sie auf andere Art nicht bekommen konnten, und begannen mit dem Verkauf von Büchern. Wir boten ihnen mehr Auswahl als es in einem stationären Geschäft gäbe (unser Geschäft würde jetzt die Fläche von 6 Fußballfeldern umfassen) und präsentierten diese in einem praktischen Format mit bequemer Suche in einem Shop, der 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag geöffnet ist. Wir haben uns verbissen darauf konzentriert, das Einkaufserlebnis zu verbessern, und somit im Jahr 1997 unser Geschäft wesentlich angeschoben. Wir bieten unseren Kund:innen mittlerweile Geschenkgutscheine, 1-Click-Shopping und eine riesige Zahl an Bewertungen, Inhalten, Browsing-Optionen und Empfehlungen. Wir haben drastisch unsere Preise gesenkt, um den Kund:innennutzen weiter zu erhöhen. Mundpropaganda ist nach wie vor das wichtigste Werkzeug zur Kund:innengewinnung, und wir sind dankbar für das Vertrauen, das unsere Kund:innen uns entgegenbringen. Dank Bestandskund:innen und Mundpropaganda wurde Amazon.com zum Marktführer im Online-Buchhandel.

  • Eine Vielzahl von Maßnahmen brachte Amazon.com im Jahr 1997 weiter voran:

  • Der Umsatz stieg von 15.700.000 US-Dollar im Jahr 1996 auf 147.800.000 US-Dollar – eine 838%-ige Steigerung.

  • Die Zahl kumulierter Kund:innenkonten stieg von 180.000 auf 1.510.000 – eine 738%-ige Erhöhung.

  • Der Anteil der Bestellungen von Bestandskund:innen wuchs von über 46 % im vierten Quartal 1996 auf über 58 % im gleichen Zeitraum im Jahr 1997.

  • In Bezug auf Audience Reach stieg unsere Website von Rang 90 bis in die Top 20 auf (Media Metrix).

  • Wir etablierten langfristige Beziehungen mit vielen wichtigen strategischen Partnern, darunter America Online, Yahoo!, Excite, Netscape, GeoCities, AltaVista, @Home und Prodigy.

Infrastruktur

Im Jahr 1997 haben wir intensiv daran gearbeitet, unsere Business-Infrastruktur zu erweitern, um dem stark erhöhten Verkehrsaufkommen gerecht zu werden und Vertriebs- und Service-Levels zu unterstützen:

• Die Mitarbeiter:innenzahl von Amazon.com wuchs von 158 auf 614, und unser Management-Team wurde deutlich verstärkt.

• Die Kapazität unseres Distributionszentrums wuchs von 50.000 auf 285.000 Quadratmeter, einschließlich des 70 %-igen Ausbaus unserer Einrichtungen in Seattle und der Einführung eines zweiten Verteilzentrums in Delaware im November.

• Das Inventar stieg zum Jahresende auf über 200.000 Titel, so dass wir die Verfügbarkeit für unsere Kund:innen verbessern konnten.

• Unser liquider Anlagebestand bezifferte sich zum Jahresende auf 125 Millionen US-Dollar – dank unseres Börsengangs im Mai 1997 und des Darlehens in Höhe von 75.000.000 US-Dollar, das uns wesentliche strategische Flexibilität ermöglicht.

Unsere Mitarbeiter:innen

Der Erfolg des vergangenen Jahres geht zurück auf ein talentiertes, intelligentes, hart arbeitendes Team. Ich bin sehr stolz, ein Teil dieses Teams zu sein. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter:innen legen wir die Messlatte sehr hoch an. Das wird auch weiterhin die wichtigste Komponente für Amazons Erfolg sein.

Es ist nicht einfach, hier zu arbeiten (wenn ich Leute in Einstellungsgesprächen interviewe, sage ich ihnen: "Sie können lange arbeiten, hart arbeiten, oder schlau arbeiten, aber bei Amazon.com kann man nicht einfach nur zwei von diesen drei Optionen wählen.”), aber wir arbeiten hier an etwas Wichtigem, etwas, das unseren Kund:innen wichtig ist, etwas, das wir stolz unseren Enkel:innen erzählen werden. Und so etwas ist niemals einfach. Wir sind glücklich, eine Gruppe von so engagierten Mitarbeiter:innen um uns geschart zu haben, deren harte und leidenschaftliche Arbeit der Grundstock von Amazon.com sind.

Ziele für 1998

Wir befinden uns immer noch in einer Frühlernphase, wenn es darum geht, unseren Kund:innen mittels Internethandel und Merchandising neue Werte anzubieten. Unser Ziel ist nach wie vor, unsere Marke und Kund:innenbasis zu festigen und zu erweitern. Dies erfordert nachhaltige Investitionen in Systeme und Infrastruktur, um herausragenden Kund:innenservice, Auswahl und Angebot in unserer Wachstumsphase anzubieten. Wir planen, Musik zu unserem Produktangebot hinzuzufügen, und glauben, dass andere Produkte im Laufe der Zeit ebenfalls interessante Investitionen sein könnten. Wir glauben darüber hinaus, dass es signifikante Möglichkeiten gibt, unsere Kund:innen in Übersee besser zu bedienen, zum Beispiel durch die Verkürzung der Lieferzeiten und der Anpassung des Kund:innenerlebnisses. Sicher wird ein großer Teil der Herausforderung nicht darin liegen, neue Wege bei der Erweiterung unseres Geschäfts zu beschreiten, sondern unsere Investitionen entsprechend zu priorisieren.

Wir wissen mittlerweile wesentlich mehr über den Online-Handel als noch zu Amazon-Gründungszeiten. Trotzdem müssen wir noch viel lernen. Obwohl wir optimistisch sind, müssen wir wachsam bleiben und uns ein Gefühl der Dringlichkeit erhalten. Es gibt mehrere Herausforderungen und Hürden bei der Umsetzung unserer langfristigen Vision für Amazon.com zu bewältigen: aggressive, fähige und gut finanzierte Konkurrenten; Wachstumsprobleme und Risiken bei der Umsetzung; die Risiken bei der Produkt- und geografischen Expansion sowie der fortlaufende Bedarf für große Investitionen, um die Gelegenheit zum Wachstum wahrzunehmen. Wie wir schon immer gesagt haben, handelt es sich beim Online-Buchhandel und beim Online-Handel im Allgemeinen um einen sehr großen Markt. Es ist wahrscheinlich, dass eine ganz Reihe von Unternehmen hier erheblichen Nutzen sieht. Wir sind stolz auf das, was wir bisher geleistet haben, und freuen uns auf das, was wir noch anpacken werden.

1997 war ein herausragendes Jahr. Wir bei Amazon.com danken unseren Kund:innen für den Einkauf und ihr Vertrauen, uns gegenseitig für unsere harte Arbeit, und unseren Aktionär:innen für ihre Unterstützung und Ermutigung.

Jeffrey P. Bezos
Gründer und CEO
Amazon.com, Inc.